Seite:Relativitaetsprinzip (Lorentz).djvu/36

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

zu einem System z’, t’, das sich relativ zum ersten längs der z-Achse in bestimmter Weise beschleunigt bewegt, in die Gleichungen hervorbringt, welche die Erscheinungen beschreiben, ist die gleiche wie die, welche von einem homogenen Gravitationsfelde im System z, t in jenen Gleichungen hervorgebracht wird.

Dieses involviert, daß alle Körper gleich schnell fallen.

Das Einsteinsche Äquivalenzprinzip erhält einen heuristischen Wert, wenn man behauptet, daß es für alle möglichen Erscheinungen gilt. Dann kann man nämlich aus demselben schließen, daß in sehr verschiedenen Fällen ein Einfluß der Schwerkraft besteht, an den man sonst nicht so leicht gedacht hätte.[1] Wir werden dieses mit ein paar einfachen Beispielen beleuchten.

Im Gravitationsfelde mit der Beschleunigung g ist bekanntlich der Krümmungsradius der Bahn eines materiellen Punktes an einer Stelle, wo die Bahn horizontal läuft,

(70)

Man kann dieses leicht aus dem Äquivalenzprinzip schließen; ist die Bahn im System z, t gerade, so hat sie im System z’, t’ jene Krümmung. In ganz derselben Weise schließt man aber aus diesem Prinzip, daß ein Lichtstrahl im Gravitationsfelde gekrümmt ist, und zwar ist der Krümmungsradius an einer Stelle, wo der Lichtstrahl horizontal läuft,

(71)

Man kann nun aber den Lauf eines Lichtbündels mittels der bekannten Huygensschen Konstruktion bestimmen, und man kommt dabei nur dann auf eine Krümmung, wenn die Fortpflanzungsgeschwindigkeit nicht an jeder Stelle gleich groß ist. Dieser Fall müßte also im Gravitationsfeld verwirklicht sein.

Es möge ein Strahl, der an der Stelle P, wo er horizontal läuft und, bei der Geschwindigkeit c, die oben angegebene Krümmung hat, zu einem unendlich dünnen Bündel gehören. Betrachten wir die Wellenebene dieses Bündels in P und die Lage, die diese Ebene um ein unendlich kleines Zeitintervall dt später einnimmt. Da die Wellenebene senkrecht zu den Lichtstrahlen steht, bilden die beiden Ebenen einen Winkel

miteinander. Daraus folgt nun, daß die zwischen den Ebenen liegenden


  1. Dabei wird das Äquivalenzprinzip im umgekehrten Sinn, als wie es oben ausgedrückt ist, verwendet.
Empfohlene Zitierweise:
Hendrik Antoon Lorentz: Das Relativitätsprinzip. B.G. Teubner, Leipzig und Berlin 1914, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Relativitaetsprinzip_(Lorentz).djvu/36&oldid=- (Version vom 1.8.2018)