Seite:Reventlow Werke 0508.png

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nacherzählen oder Buchstaben in den Sand schreiben, und lehnte sie sich im Gefühl ihrer Ohnmacht dagegen auf, so wurde sie einfach übergelegt und durchgeprügelt. Manchmal kam dann Lise, das Kindermädchen, ihr zu Hilfe:

„Laß doch Ellen in Ruh', was hat sie dir getan?“

„Da brauchst du dich gar nicht hineinzumischen,“ sagte Erik überlegen. „Mama ist immer sehr strenge mit Ellen, und wenn sie nicht da ist, muß ich Ellen verhauen, damit sie sich nichts einbildet.“

Im ganzen war das Mädchen recht froh, ihn jetzt für einen Teil des Tages los zu sein; wenn er wieder zur Schule war, ging sie mit den beiden Kleinen auf die einsame Graskoppel hinter dem Garten, wo Owe Jensen, der lange blonde Knecht, arbeitete. Und die ganze Gesellschaft war dann sehr vergnügt, Owe ließ seine Arbeit liegen und wanderte mit Lise langsam die breiten, grasüberwucherten Wege entlang, während die Kinder Hand in Hand hinterdrein trottelten. Zuweilen brachte er auch seinen Freund mit; das war Lise zuerst nicht ganz recht gewesen, denn Klaus Sörens war eine Art Räuberberühmtheit in der Umgegend und erst vor kurzem aus dem Zuchthaus entlassen. Aber allmählich fand sie, daß es auch seine Vorteile hatte, wenn er mitkam. Dann konnte sie ungestört mit Owe im Gras liegen und brauchte sich nicht um die Kleinen zu bekümmern. Detlev bekam einen schönen, weichen Platz, wo er schlief oder mit den Beinen im Sonnenschein strampelte, und der Zuchthäusler spielte mit Ellen. Sie liebte ihn leidenschaftlich und war selig, wenn er mit ihr herumjagte oder ihr Blumen und Erdbeeren pflückte. Man hatte ihr wohl eingeschärft, nichts davon zu erzählen, und das tat sie auch nie. Bei Lise und ihren Freunden fühlte sie sich viel wohler wie zu Hause, denn Mama und Prügel kriegen waren so ziemlich die ersten Begriffe, die ihr Bewußtsein zu fassen vermochte und die für sie in eins zusammenfielen.

Die kleine Ellen hatte schon frühzeitig ein dunkles Gefühl davon, daß sie mit dem linken Fuß auf die

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 508. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0508.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)