Seite:Reventlow Werke 0602.png

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Abendessen heraufbringen, und jetzt saß sie mit dem wildfremden Mann, der etwas gebrochen deutsch sprach, beim Souper. Er war groß und brünett, sehr elegant und sehr aufmerksam. Als was mochte er sie wohl engagieren wollen? — Er fragte nach allem, was sie gelesen hätte, wofür sie sich interessierte, sprach über Kunst und Bücher. Als der Kellner wieder hereinkam, duzte er sie — sie galt ja für seine Frau — und darüber fiel Ellen plötzlich aus ihrer Würde und fing an zu lachen.

„Gott sei Dank,“ sagte er, als sie wieder allein waren, „Sie können also doch lachen. Mir war schon angst, daß Sie immer so ein feierliches Gesicht machten.“

Darauf ließ er Sekt und Zigaretten bringen, sie unterhielten sich immer lebhafter, und es wurde ziemlich spät. Ellen saß in einem bequemen Lehnstuhl und fühlte sich sehr wohl. Dann fiel ihr wieder ein, weshalb sie hier war, und sie entschloß sich jetzt endlich nach ihrer künftigen Stellung zu fragen.

„Ach, davon können wir morgen noch sprechen.“

Louis Michel ging im Zimmer herum und dann ans Fenster. „Kommen Sie einmal her.“ Da lag der Rhein im Mondlicht, die alten Häuser am Ufer im tiefblauen Schatten, aus dem viele einzelne Lichter funkelten. Es war Festtag — drunten in der Straße zogen Trupps von lärmenden Menschen vorbei. Ellen setzte sich auf die Fensterbank, er stand vor ihr und sah sie an. „Wollen Sie mit mir auf Reisen gehen?“ fragte er plötzlich. „Bitte, lassen Sie mich ruhig ausreden. — Ich habe Ihnen erzählt, was für ein Leben ich führe, heute in Paris, morgen in Monte Carlo, und dann spiele ich wie toll, das ist meine einzige Leidenschaft, und weil ich nicht weiß, was ich anfangen soll. Irgendeinen Reiz muß das Leben haben. Dann hab ich einmal gedacht, wenn ich einen Menschen mit mir hätte, eine Frau, die alles mit mir teilt, nicht verheiratet, nur als guter Kamerad — und sah zufällig Ihre Annonce. Warum können Sie nicht ebensogut mit mir reisen, wie mit einer unangenehmen, alten Dame? — Ihr

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 602. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0602.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)