Seite:Reventlow Werke 0620.png

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Leonhard, kam vom Rhein her mit zwei Freunden, von denen einer kurzweg als ‚der Regierungsrat' vorgestellt wurde, der zweite mit dem fliegenden roten Schlips war Opernsänger, und man nannte ihn Harry. Dann gab es noch ein internationales Ehepaar, das unter sich französisch sprach, mit zwei Töchtern, eine stellenlose Gesellschafterin und ein paar junge Leute, die nicht weiter in Betracht kamen. Im ganzen wußte man nicht viel voneinander, man vergnügte sich nur zusammen und — damit schloß er seinen Vortrag — Ellen sollte von nun an mittun, da sie jetzt glücklich eingefangen war. Und das tat sie denn auch. Das Gelage wurde immer lauter und fröhlicher, je weiter sie auf die See hinauskamen, und anfangs achtete niemand darauf, daß der Himmel sich bezog und leise Donner in der Ferne rollten. Allmählich ballten die Wolken sich immer dunkler zusammen — die Damen wurden ängstlich und ließen den Schiffer umwenden. Aber der Wind ließ nach und es ging sehr langsam.

„Wenn Sie jetzt in Ihrem kleinen Ruderboot allein hier draußen wären,“ sagte Ellens Nachbar.

„O, ich käme rascher damit vorwärts wie so.“

„Aber so weit hinaus können Sie mit dem Dings doch nicht rudern.“

Das stachelte ihren Ehrgeiz. „Wollen wir wetten, daß ich eher daheim bin wie Sie?“ Und ehe er sie zurückhalten konnte, war sie schon beim Steuer und kletterte in ihr Boot hinab. Wieder gab es Tumult. „Sie ist des Teufels — halt sie, Leon — fang sie!“ Aber Leon kam zu spät.

Das Gewitter zog rasch herauf und einzelne heftige Windstöße fuhren in die Segel. Ellen blieb eine Zeitlang neben der Barke, die dann plötzlich rasch vorwärtstrieb. Man winkte und rief, aber sie konnte nichts mehr verstehen, denn das Unwetter brach jetzt los. Schwere Donnerschläge rollten über den Himmel und schienen unten im Wasser zu widerhallen. Dann folgten sie sich immer schneller, und sie konnte kaum mehr sehen, so blendeten die Blitze, es kam ihr vor, als ob sie rechts und links neben ihr in die Wellen hineinzuckten und wieder aufsprühten. Dann klatschte

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 620. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0620.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)