Seite:Reventlow Werke 0652.png

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vereinzelte Paare und umarmten sich immer bewußtloser. Johnny schlug vor, man sollte mit ihm auf sein Atelier gehen und dort Kaffee trinken, aber unterwegs fiel einer nach dem andern ab, sie waren alle müde und hatten genug. Ellen fiel jetzt erst ein, daß Zarek ihre Schlüssel eingesteckt hatte und sie nicht in das Haus hineinkonnte. So gingen sie langsam durch den weichen Schnee, der über Nacht gefallen war, die Straße hinauf, wo die Laternen noch müde in der Dämmerung flackerten, und saßen dann in Johnnys Atelier mit den vielen gemütlichen Ecken vor einem kleinen Tisch, auf dem die gelbumschleierte Lampe brannte und die kupferne Kaffeemaschine summte. Johnny zog sich im Nebenzimmer um und wickelte dann Ellen in einen schweren Seidenmantel — es war eine Atmosphäre von Behaglichkeit, die sie lange nicht mehr gewöhnt war, und sie dehnte sich vor Wohlgefühl.

Nun mußte sie ihm erzählen, wie sie lebte, manchmal lachte er, dann wieder schüttelte er den Kopf: „Ich habe das ja alles selbst durchgemacht, aber glauben Sie mir, die Boheme kriegt jeder einmal satt und Ihre Gesellschaft da gefällt mir nur halb. — Aber das allerverrückteste finde ich doch, daß Sie heiraten sollen.“

Es war jetzt heller Tag, und sie berieten, wie Ellen in ihrem Clownkostüm nach Hause kommen sollte — er brachte alle möglichen Dinge herbei, steckte sie zuletzt in einen Regenmantel von sich, schnürte ihr ein Paar unförmliche Bergstiefel an die Füße und drückte ihr einen Schlapphut ins Gesicht. Dann stand er da und wollte sich totlachen. So wateten sie wieder durch den Schnee zu einer nahen Badeanstalt, nahmen Zelle an Zelle ein Brausebad unter vielem Lachen — es war alles so lustig und morgenfrisch und dabei wie ein leichtes Spiel, das sich immer an der Grenze bewegte.

„Ich habe wirklich allen Respekt vor mir,“ sagte Johnny, als er sie im Fiaker nach ihrer Wohnung brachte, „nicht einmal um einen Kuß habe ich Sie gebeten, seit wir uns wieder in normale Menschen

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 652. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0652.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)