Seite:Reventlow Werke 0672.png

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und er trank und trank. Und wenn der Becher leer war, wollte sie ihm sagen: „Jetzt ist es vorbei!“ Aber bis dieser Augenblick kam, sollte nichts die langen Sommertage trüben.

Hier und da blieben sie länger an einem Ort, der sie besonders anzog, und in diesen Ruhetagen kam es oft zu langen Gesprächen wie früher daheim, wenn Reinhard an seinem Schreibtisch saß und Ellen in der halbdunklen Ecke auf dem Diwan lag. Dann schien es ihm manchmal, als ob ihre Frohheit sich auf Augenblicke verdunkelte, und es durchfuhr ihn plötzlich: sollte nicht irgendeine geheime Angst hinter alledem stecken? Vielleicht fürchtete sie, wieder krank zu werden wie im letzten Winter, nicht arbeiten zu können — —

Und Ellen konnte dann so seltsam sein und seltsame Sachen reden, fast wie im Fieber.

„Wenn nun mit einemmal alles vorbei wäre, Reinhard — könntest du das ertragen?“

„Ertragen — ich weiß nicht. Aber was sollte denn vorbei sein? Solange wir uns haben, gehört uns das Leben, das hab' ich noch nie so gefühlt wie jetzt, und du auch, glaube ich.“

„Ja — aber wir wissen doch nie, was kommen kann. — Sieh mal, es gibt doch so etwas wie Schicksal, was die Menschen voneinanderreißen kann — gerade so, wie es uns beide zusammengeworfen hat. Wie kann man das wissen? — wenn nun einer von uns sich in jemand anderen verliebte. — Ob du es zum Beispiel begreifen würdest, wenn ich einmal etwas ganz Wahnsinniges täte — von dir ginge.“

„Warum sprichst du so sonderbar, Kind? Willst du mir etwa fortlaufen? Wenn du es tätest, müßte es doch einen Grund haben, und wenn deine Liebe aufhörte, würde ich dich niemals halten wollen.“

„Nein, so meinte ich es nicht — ich glaube, das, was zwischen uns beiden ist — wie ich dich liebe — gerade dich, das kann nie zu Ende sein, wenigstens könnte das nie einem anderen Menschen gehören. Aber anderes könnte vielleicht kommen — ich weiß doch nicht, ob du mich ganz kennst. — Man fühlt doch manchmal Tiefen in sich, wo nie jemand anders

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 672. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0672.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)