Seite:Reventlow Werke 0685.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

halb bewußtlose Nacht — neben ihr die Schwester — ihre weißen Schleier schwankten hin und her wie große Flügel — — noch mehr Tage und Nächte — ein Gewirr von neuen wühlenden Schmerzen, schreckhaften Träumen und sengendem Durst — ein dumpfes, willenloses Ringen gegen unerträgliche Pein und dann wieder Zurücksinken in die milde Morphiumbetäubung.

War das noch Leben oder war es schon Todeskampf?

Am ersten Morgen, wo sie wieder klar um sich sehen konnte, war ihr zumut, als sei sie schon weit fortgewesen, in dem dunklen Land, aus dem keiner mehr zurückkommt — und ein seltsames Gefühl von Erdenfremdheit durchzog sie, als ginge es sie nichts mehr an, ob sie wieder zu den Lebenden gehören sollte.

Dezember 93

„Den ganzen Tag in alten Briefen gelesen und zuletzt in meinem einstigen Münchener Tagebuch — bis dahin, wo es plötzlich abbricht … Seither habe ich nie wieder geschrieben, es taumelte alles zu überstürzend rasch an mir vorbei und über mich weg, von einer Katastrophe zur andern, bis zu der langen Ruhezeit im Krankenhaus.

Danach kann ich mich oft noch zurücksehnen — mein Gott, es war nicht leicht, von der stillen Zeit Abschied zu nehmen und so mit halben Kräften wieder hinaus — sich am Stock herumschleppen wie ein Krüppel. Und wo mich Bekannte sehen, dies Erstaunen — man hat ja immer nur gehört: mit der ist's aus. Es kommt mir beinahe vor, als wären sie enttäuscht, wenn einer wieder aufersteht von den Toten. — Und diese endlosen Fragen, warum ich immer noch hier bin, nicht bei meinem Mann. — Das weht einen so kalt und feindlich an, man möchte seine Habe auf den Rücken nehmen und davongehen — Gott weiß wohin. — Aber ich hätte es mir vorhersagen können. — Und wenn ich so dasitze und meine Umgebung ansehe, in der ich jetzt lebe — dies kleine, enge Atelier mit dem Feldbett und dem großen Tisch, weiter ist fast nichts darin —, da kommen so allerhand Gedanken. — Ja,

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 685. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0685.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)