Seite:Reventlow Werke 0688.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Steine in die Fenster fliegen sollten, so werde ich sie mit Vergnügen aufsammeln und für meine Kinder aufheben. — Ich habe eine stille Freude dabei, all diesen guten Leuten in Gedanken die Tür recht weit aufzumachen.“


2. Februar

„Diesen Winter hat sich eine etwas merkwürdige Freundschaft angeknüpft — ich war abends bei strömendem Regen in der Stadt, wollte beim Marienplatz in den letzten Fiaker steigen. Als ich ankam, stand schon jemand daneben, will mir aber aus Höflichkeit den Wagen überlassen, hält sogar seinen Regenschirm über mich. Mir machte das so tiefen Eindruck, daß ich sagte, er könne ja mitfahren, wenn wir denselben Weg hätten. Das Ende war, das wir dreimal zwischen dem Hoftheater und dem letzten Stück der Theresienstraße hin- und herfuhren und uns immer noch nicht darüber geeinigt hatten, wer wir eigentlich wären.

Dann trafen wir uns am Weihnachtsabend wieder auf der Straße, hatten beide nichts anderes vor und feierten ihn zusammen in einer Weinstube, gerieten so tief in ein Gespräch über Boheme, Gesellschaft, guten Ton und Etikette, daß wir eine Stunde vor meiner Haustür standen und ich ihn schließlich zu einem Kaffee bei mir einlud.

So ähnlich hat sich unser Verkehr dann weitergesponnen, er kommt oft abends zu mir herauf, und wir schwätzen die halbe Nacht durch — trotz allem guten Ton, an dem wir übrigens aufs strengste festhalten. Denn unser Benehmen ist tadellos korrekt in Gedanken, Worten und Werken, man könnte es eigentlich nicht einmal Freundschaft nennen, wir verkehren nur wie zwei liebenswürdige Eisblöcke, die irgendwelchen Gefallen aneinander finden.

Bel-ami — den Namen hat er bekommen, wie ich seinen wirklichen noch nicht wußte — gehört der sehr guten Gesellschaft an — ist immer sehr elegant und scheint ein ziemlich unruhiges Leben zu führen. —

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 688. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0688.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)