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Text von Wilhelm Tappert: Richard-Wagner-Galerie

XV.
RIENZI WIRD VERFLUCHT.


„Rüstet Euch, zu beten für die Freiheit!“


Das Leben und der Charakter dieses merkwürdigen Mannes bleibt uns vorerst immer noch ein unerforschtes psychologisches Problem. Geboren 1313 zu Rom, von dunkler Herkunft, aber geistreich, gebildet und beredt, wurde Rienzi päpstlicher Notar, auch zum Mitglied der Deputation gewählt, welche Clemens VI. zur Rückkehr von Avignon nach Rom bewegen sollte. Während in der Abwesenheit der Päpste unaufhörliche Parteikämpfe und die Tyrannei der hochmüthigen Aristokratie auf das Volk drückten, gewann Rienzi dasselbe und erhitzte es durch seinen träumerischen Plan, die Völker wieder um das Capitol zu sammeln und auf denselben den Lorber des Brutus und der Gracchen zu pflanzen. Im Mai 1347 wurde er wirklich zum Tribunen der Republik Rom ausgerufen, mit diktatorischer Gewalt ausgerüstet und sogar vom Papst bestätigt, welcher den Uebermuth des Adels dadurch zu brechen hoffte. Allein Rienzi überhob sich in kurzer Zeit und machte allerlei Missgriffe, welche das theilweise sehr harte Urtheil der Historiker hinreichend rechtfertigen. Eine Empörung des Adels schlug Rienzi zwar nieder, aber der Papst schleuderte eine Bulle wider ihn, das Volk wurde seiner satt und schon im Jahre 1348 musste der Tribun aus Rom entfliehen. Kaiser Karl IV. lieferte ihn dem Papst nach Avignon aus. Rienzi gewann jedoch das Vertrauen Innocenz VI. und als ein gewisser Baroncelli in Rom abermals die Tribunenrolle spielte, machte der Papst den Rienzi zum Senator von Rom und sandte ihn mit einem Cardinal dahin ab. Seine Ankunft am 1. August 1354 bereitete der Herrschaft des Nebenbuhlers sofort ein Ende, allein abermals missbrauchte Rienzi seine Macht, die Colonna’s schürten, das allzeit wetterwendische Volk zündete den Palast seines vor kurzem vergötterten Lieblings an und erschlug denselben schon am 4. Oktober 1354. Die Juden verbrannten seine Leiche. Ganz zutreffend sagt desshalb Gregorovius: „Es gibt, wie in der Natur, so auch in der Geschichte Luftspiegelungen aus entlegenen Zonen der Vergangenheit; eine solche und die wundersamste, war die Erscheinung der Volkstribunen. Diese Vermischung von Tiefsinn und Narrheit, von Wahrheit und Lüge, von grossartiger Phantasie und thatsächlicher Erbärmlichkeit macht Cola di Rienzi, den Heldenspieler im zerlumpten Purpur des Alterthums, zu dem wahren Abbilde Roms in seinem mittelalterlichen Verfall.“ –

Dass ein solcher Stoff dramatisch gestaltbar und bühnenwirksam sein müsse, ist selbstverständlich. Ebenso aber auch, dass der Dichter-Componist denselben mit poetischer Freiheit gestaltete und daraus ein ideales Bild schuf, worüber die wissenschaftliche Kritik nach Belieben Einsprache erheben mag.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Wilhelm Tappert: Richard-Wagner-Galerie. Hanfstaengl’s Nachfolger, Berlin 1876, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Richard-Wagner-Galerie.pdf/102&oldid=- (Version vom 1.8.2018)