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Text von Wilhelm Tappert: Richard-Wagner-Galerie

I.
SENTA AM SPINNRADE.


„Ich bin ein Kind, und weiss nicht, was ich singe.“


Senta, des norwegischen Seefahrers Daland herziges Töchterlein, – fürwahr, ein treues Kind, wie der glückliche Vater dem unglücklichen Ahasver des Meeres, dem fried-, ruhe- und heimathlosen Odysseus versichert –, wir sehen sie allein in ihrem Gemach, der Welt entrückt, in tiefes Sinnen versunken! Die ruhende Hand liegt im Schoos, müssig steht das sonst so geschäftige Rad, von dunklen Träumen befangen starrt das herrliche Kind nach dem Bildnisse des bleichen Mannes, den die Seeleute als „fliegenden Holländer“ fürchten, dessen trauriges Schicksal eine unheimliche Ballade erzählt, welche in den Spinnstuben gesungen wird.


Traft ihr das Schiff im Meere an,
Blutroth die Segel, schwarz der Mast?
Auf hohem Bord der bleiche Mann,
Des Schiffes Herr, wacht ohne Rast.
Wie saust der Wind!
Wie pfeift’s im Tau!
Wie ein Pfeil fliegt er hin,
Ohne Ziel, ohne Rast, ohne Ruh!


Einst wollt’ er umsegeln ein Cap; die See ging hoch, der Sturm wüthete, in frevelndem Uebermuth schwur der verwegene Mann: „in Ewigkeit lass’ ich nicht ab!“


Und Satan hört’s,
Nahm ihn beim Wort!
Und verdammt zieht er nun
Durch das Meer ohne Rast, ohne Ruh!

Empfohlene Zitierweise:
Text von Wilhelm Tappert: Richard-Wagner-Galerie. Hanfstaengl’s Nachfolger, Berlin 1876, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Richard-Wagner-Galerie.pdf/18&oldid=- (Version vom 1.8.2018)