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Text von Wilhelm Tappert: Richard-Wagner-Galerie

die Harmonie der Seelen. Was Ortrud zu nächtlicher Zeit emsig gesät, es sprosste im Tagesgrauen und wuchs zu einer verderbenbringenden, giftigen Schlingpflanze empor, die Alles überwucherte und vernichtete. Elsa fragt, dem Verbote trotzend und ihrer Zusage nicht eingedenk: „Woher die Fahrt? Wie deine Art?“ Kaum sind diese traurigen Worte gesprochen, da bricht Friedrich von Telramund nebst vier brabantischen Edlen herein. Alle haben die Schwerter zur blutigen That gezückt. Mit einem fürchterlichen Schrei reicht Elsa ihrem Retter die schützende Waffe. Zum Tode getroffen stürzt Telramund nieder.

„Weh! nun ist all’ unser Glück dahin!“

Dieser Schmerzensruf entringt sich nach einer langen, athemlosen Stille der Brust des Helden.

Auf Lohengrin’s Geheiss tragen die Edlen Friedrich’s Leiche von dannen, auf seinen Wunsch geleiten vier Frauen die halb ohnmächtige Elsa zum Könige, dort will er die verlangte Antwort ihr geben!

Und abermals weilt König Heinrich unter der alten Eiche am Schelde-Ufer, umgeben von den Fürsten, Edlen und Reisigen; wiederum erscheint Lohengrin, gewaffnet wie bei seinem ersten Kommen, aber gar feierlich und traurig ist das Auftreten des „gottgesandten Ritters.“ Die Mannen alle geloben Treue dem bedrohten Vaterlande und sind bereit, in den Kampf zu gehen. Lohengrin darf jetzt nicht mehr als Heerführer und Streitgenoss’ mit ihnen ziehen, nur noch als Ankläger tritt er auf gegen den erschlagenen Telramund, der ihn nächtlich überfiel, und wider Elsa, die ihn – verrieth, – um dann für immer zu scheiden! Aus freiem Antriebe lässt er den Schleier fallen und kündet Jedem, „wie sein Nam’ und Art.“

Im fernen Lande liegt eine Burg, Monsalvat (Berg des Heils) genannt. Ein lichter, kostbarer Tempel steht inmitten, darin ruht als höchstes Heiligthum ein Gefäss: der heil’ge Gral genannt. (Aus ihm trank einst der Heiland seinen Jüngern den letzten Scheidegruss zu, in ihm wurde dann das Blut des Gekreuzigten aufgefangen und bis heute in lebensvoller Wärme als Quell unvergänglicher Liebe aufbewahrt. Schon war dieser Heilskelch der unwürdigen Menschheit entrückt, als einst liebesbrünstigen, einsamen Menschen eine Engelschaar denselben aus Himmelshöhen wieder herabbrachte.) Wer dem heiligen Gral zu dienen auserlesen ist, der wird durch ihn mit überird’scher Macht ausgerüstet, an einem Solchen ist jedes Bösen Trug verloren, selbst der Tod hat keine Macht über ihn. Welcher Ritter als Streiter für Tugend und Recht in fremde Lande entsandt wird, geht der heiligen Kraft keineswegs verlustig, so lange er als Gralritter unerkannt bleibt.

„Vom Gral ward ich zu euch daher gesandt:
mein Vater Parcival trägt seine Krone,
sein Ritter ich – bin Lohengrin genannt!“

Auf dem Flusse schaukelt der Nachen, gezogen vom Schwan; für die letzte, traurige Fahrt ist Alles bereit. Lohengrin wendet sich im heftigen Schmerz zu Elsa, um Abschied zu nehmen. Er überreicht ihr sein Schwert, das Horn und den Ring als Vermächtniss für den todtgeglaubten Bruder, dessen Widerkehr der Scheidende prophetisch verkündet:

Diess Horn soll in Gefahr ihm Hilfe schenken,
in wildem Kampf diess Schwert ihm Sieg verleiht:
doch bei dem Ringe soll er mein gedenken,
der einstens dich aus Schmach und Noth befreit!



Empfohlene Zitierweise:
Text von Wilhelm Tappert: Richard-Wagner-Galerie. Hanfstaengl’s Nachfolger, Berlin 1876, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Richard-Wagner-Galerie.pdf/55&oldid=- (Version vom 1.8.2018)