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Text von Wilhelm Tappert: Richard-Wagner-Galerie

schlimm aus. Er singt nach seiner Weise, wie der Vogel im Walde, nicht wie es die Tabulaturgesetze der edlen Gilde erheischen, – versungen und verthan! lautet der Wahrspruch der Merker, versungen und verthan! riefen die Meister zustimmend. Nur Einer fand des Ritters Lied und Weise zwar neu, doch nicht verwirrt.


„Der Vogel, der heut’ sang,
dem war der Schnabel hold gewachsen;
macht er den Meistern bang’,
Gefiel er doch Hans Sachsen.


In Hangen und Bangen und schwebender Pein erwartet Eva den Ausgang des Probesingens und somit ihr eigenes Schicksal! Wer ihr doch nur sagen könnte, wie es ihm ergangen und ob sie das Höchste zu hoffen oder das Schlimmste zu fürchten habe!

Meister Sachs muss es wissen! Zu ihm, dem treuen Nachbar, dem väterlichen Freunde will sie gehen, ihn befragen, nicht direct, sondern nur so nebenbei. Es ist Abend geworden. Der blühende Fliederbaum vor Sachsens Werkstatt duftet mild und stark und voll. Hans Sachs will arbeiten, aber die Ereignisse des Tages beschäftigen ihn gar zu sehr, die regellosen und doch – fehlerfreien Weisen des Junkers wollen ihm nicht aus dem Sinn.


Es klang so alt, und war doch so neu, –
wie Vogelsang im süssen Mai.


Da kommt „Evchen“, vorsichtig tritt sie auf die Strasse und bedächtig nähert sie sich der Werkstatt Sachsens:


„Guten Abend, Meister, noch so fleissig?“



Empfohlene Zitierweise:
Text von Wilhelm Tappert: Richard-Wagner-Galerie. Hanfstaengl’s Nachfolger, Berlin 1876, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Richard-Wagner-Galerie.pdf/61&oldid=- (Version vom 1.8.2018)