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Text von Wilhelm Tappert: Richard-Wagner-Galerie

IX.
ISOLDE.


„Lösche des Lichtes scheuchenden Schein!“


Im kleinen Kahne schwamm ein siecher, sterbender Mann an Irlands Küste: Tristan, der Held, der Neffe des Königs Marke von Kornwall. Er hatte im ehrlichen Kampfe Morold, den kühnen Iren, den Verlobten Isoldens erschlagen. Nun pflegt die blonde Königstochter den kranken Mann, der sich Tantris nennt, aber doch von ihr erkannt wird. Rächen will sie den Tod des Gefallenen, doch als Tristan die Augen aufschlägt, verdrängt ein edleres Gefühl die Rachegelüste, Isolde lässt das Schwert sinken!

Nun ist Tristan der Brautführer, aus dessen Hand sein Ohm, der müde König Marke, „der Frauen höchste Zier empfängt.“ Auf dem Schiffe sehen wir Tristan und seinen Knappen Kurwenal, Isolde und deren Vertraute Brangäne. Tristan hält sich fern von Isolde, dort am Steuer sorgt er für eine glückliche Fahrt.


Ungeminnet
den hehrsten Mann
stets mir nah zu sehen, –
wie könnt’ ich die Qual’ bestehen!


Mit diesen Worten verräth Isolde ihr süsses Herzensgeheimniss. Brangäne weiss zu helfen; „der Mutter Künste“ mischten einen Minnetrank für die scheidende Tochter, diesen will die Vertraute erproben. In der Herrin erwacht aber der alte Hass, beleidigter Stolz flüstert ihr zu: mit dem „kühlen“ Feinde den Todestrank zu trinken. Tristan erscheint zu einer Unterredung; das Schiff naht dem Strande, das Ziel der Fahrt ist bald erreicht, nur wenige Augenblicke gehören noch den Beiden, dann macht ein Dritter seine Rechte geltend. Isolde bietet dem Geliebten den Trank als Sühne, den Brangäne ihr reicht. Tristan ergreift die Schale, ganz will er sie leeren, doch Isolde entreisst ihm den Becher, auch sie will – sterben. Jetzt, im Angesichte des Todes, entfesselt von Allem, was sie band im Leben, der Welt schon entrückt, blicken sie sich selig, sprachlos in die Augen. Die Flammen zusammen und in

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Text von Wilhelm Tappert: Richard-Wagner-Galerie. Hanfstaengl’s Nachfolger, Berlin 1876, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Richard-Wagner-Galerie.pdf/66&oldid=- (Version vom 1.8.2018)