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noch Heine ob seiner „gedichteten Lügen“ ausgezischt und Börne applaudirt worden, weil er an der „Selbstvernichtung“ des Judenthums gearbeitet habe, kommt Wagner ausführlich auf die entsetzlichen Folgen seines pseudonymen Artikels vom Jahre 1850 zurück. Leipzig habe durch die langjährige Wirksamkeit Felix Mendelssohn’s „die eigentliche musikalische Judentaufe erhalten“, Leipzig sei „ausschließlich Judenmusik-Weltstadt“ etc. In diesem widerlichen, gemeinen Tone, der einem fanatischen Bettelmönche[WS 1] Ehre machen würde, geht nun die ganze Broschüre weiter. Also in der Judenmusik-Weltstadt habe sich damals die Verschwörung organisirt, Wagner „als der Verfasser jenes Aufsatzes fortan zu ignoriren“, ihn hingegen durch „systematische Verleumdung und Verfolgung“ auf dem Gebiete seiner literarischen und musikalischen Thätigkeit zu bestrafen. Als erster Verleumder sei Professor Bischoff[WS 2] in der Kölnischen Zeitung aufgetreten, „ein Freund und Bewunderer des Herrn Ferdinand Hiller“.[WS 3] (Merkwürdigerweise wird Hiller in der Broschüre nicht weiter mißhandelt, obgleich er einige Aufsätze von vernichtender Vortrefflichkeit gegen Wagner’s Theorien veröffentlicht hat.) Nun sei der Unterzeichnete aufgetreten mit seinem „Libell“ über das Musikalisch-Schöne. Gegen diese Bezeichnung muß ich protestiren. Meine Schrift „Vom Musikalisch-Schönen“ (deren Werth R. Wagner natürlich nach Belieben taxiren mag) ist eine durchaus ernsthafte theoretische Untersuchung, ein streng wissenschaftlicher Versuch, die Grundbegriffe musikalischer Aesthetik neu zu prüfen und zu erklären. Anders ist sie auch nie aufgefaßt worden, wenngleich neben anderen Tonsetzern auch Wagner darin zur Sprache kommt. Hätte ich ein Libell gegen Wagner schreiben wollen, so würde ich wol auch einen pikanteren Titel im Geschmack von dessen neuester Flugschrift gefunden haben, z. B.: Der Größenwahnsinn in der Musik. Daß ich unter den Vertretern echt musikalischer Schönheit nach Haydn, Mozart und Beethoven auch den jüdischen Mendelssohn angeführt, wurmt Herrn Wagner so sehr, daß er sich zu der aberwitzigen Behauptung hinreißen läßt, ich hätte, blos um Mendelssohn „mit Manier auf den Thron zu erheben, ihm auch einige christliche Nobilitäten, wie Robert Schumann, zur Seite gestellt“! Von der Schrift über das „Musikalisch-Schöne“ sei nun alles weitere Unglück ausgegangen: „Der Verfasser hatte sich dadurch in allgemeinen Respect gesetzt und sich eine Stellung gemacht, welche ihm Bedeutung gab, wenn er, als angestaunter Aesthetiker, nun im gelesensten politischen Blatte auch als Recensent auftrat und mich und meine künstlerischen Leistungen für null und nichtig erklärte.“ Mein „Nimbus“ sei auch die Ursache, daß, so weit als Zeitungen in der Welt gelesen werden, eben dieser Ton über Wagner zum Styl geworden ist, welchen überall anzutreffen Madame Muchanoff, geborne Gräfin Nesselrode, so sehr verwundert. Hierauf muß ich Herrn Wagner erwidern, daß er den Einfluß meiner Kritiken weit überschätzt und mir eine Wichtigkeit beilegt, die ich nicht entfernt besitze. Ich bin nur Eine Stimme unter vielen, wohlgemerkt unter vielen unabhängigen, überzeugungstreuen Stimmen. Warum nennt Herr Wagner nicht unseren berühmtesten Musik-Schriftsteller Otto Jahn, dessen Kritiken über „Tannhäuser“ und „Lohengrin“[WS 4] an hinrichterlicher Wucht Alles übertreffen, was ich je über Wagner geschrieben? Warum nennt er nicht aus Wien Speidel und Schelle, die – zwar ebensowenig Juden als ich – ihn doch nicht um ein Haar christlicher behandelt haben? Ganz kürzlich hat der Kunsthistoriker Lübke mit liebenswürdigem Humor ihm ein Gleiches erwiesen, wofür er natürlich in Stuttgart sofort in die jüdische Matrikel eingetragen wurde. Warum erinnert sich Wagner nicht des geistvollen Hinrichs, welcher ihm anfangs mit lebhaftester Sympathie entgegenkam, aber je länger er schrieb und je genauer er Wagner’s Opern studirte, desto kälter und ablehnender wurde, so daß der „biedere Brendel“ seine letzten Aufsätze gar nicht mehr aufnahm? Beklagt sich doch Wagner ausdrücklich über Adolph Stahr und Robert Franz[WS 5], die im Sommer 1850 einmal, „aber genau nur einmal, das Wort für ihn ergriffen hätten! Auch mir wirft Wagner die „fast enthusiastische Neigung“ vor, die ich anfänglich für ihn empfand und jetzt nicht mehr empfinde. Guter Herr Wagner, das ging vielen Leuten so. Ich habe den starken Eindruck nie verleugnet, noch mich dessen je geschämt, welchen ich als junger Student in Dresden von der blendenden Aufführung des „Tannhäuser“ empfing. Ich berichtete darüber der Wiener Musikzeitung in einem Aufsatze,[WS 6] der zwar im Lobe etwas überschwenglich, aber trotzdem für die zahlreichen Schwächen des „Tannhäuser“ nichts weniger als blind war. Daß ich zu einer Zeit, wo man in Oesterreich den Namen Richard Wagner noch nicht kannte, zufällig der Erste gewesen sein mag, der die Aufführung des Tannhäuser öffentlich warm befürwortete, dessen freue ich mich heute noch.[1] Mein Irrthum bestand nur in dem sanguinischen Glauben, Wagner werde in seinen späteren Opern die reiz- und gehaltvollen Elemente, die sich im „Tannhäuser“ finden, zu immer reinerer Schönheit steigern und abklären, hingegen das Unmusikalische, Ungesunde, die spiritualistisch maskirte Trivialität ausscheiden. Das Gegentheil davon ist eingetroffen: jede folgende Oper Wagner’s ist unmelodischer, langweiliger, lärmender und abstruser geworden. Ebenso wird seine Broschüre mit jedem Bogen leidenschaftlicher, gehässiger und verlogener. Die eine Lüge, mein angebliches „Judenthum“, will ich der blinden Wuth eines Mannes zugute halten, welcher, wie der Rabbiner in Heine’s „Disputation“, immer mit dem blanken Messerchen herumfährt, um harmlos vorübergehende Christen meuchlings zu beschneiden. Die zweite Lüge betrifft nicht mich allein. Wagner behauptet nämlich, Th. Fr. Vischer[WS 7] (den er als „einen gutartigen, durchaus blonden deutschen


  1. Ich habe auch für die Aufführung der (gekürzten) „Meistersinger“ in Wien plaidirt, nicht als ob ich diese Oper für ein Meisterwerk hielte, aber weil sie von allen seit geraumer Zeit erschienenen deutschen Opern die interessanteste und eigenthumlichste ist, daher der Kenntniß des Publicums nicht vorenthalten bleiben soll.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. dies ist eine Anspielung auf den Umstand, dass Wagner Zeit seines Lebens auf zahlende Gönner angewiesen war, denen er manchen flammenden Bettelbrief schrieb.
  2. Ludwig Bischoff. Siehe seinen Artikel: Tu – hoc intrivisti, tibi omne est exedendum, in: Rheinische Musik-Zeitung für Kunstfreunde und Künstler, 1. Jg., Nr. 6, 10.8.1850, S. 43-47.
  3. Ferdinand Hiller (1811-1885), Komponist und Musikschriftsteller zu Köln. Siehe auch Robert Eitner: Ferdinand Hiller
  4. siehe: Otto Jahn, Gesammelte Aufsätze über Musik Internet Archive
  5. Robert Franz (1815-1892), Lieder-Komponist
  6. Der „Aufsatz” Richard Wagner, und seine neueste Oper „Tannhäuser“, erschien in zwölf Teilen (am 28.11.; 1., 3., 10., 12., 15., 17., 19., 22., 24., 26., 29.12.1846) in der Wiener Musikzeitung – er ist mit knapp 40 (modernen) Druckseiten der längste Aufsatz Hanslicks überhaupt.
  7. Theodor Friedrich Vischer (1807-1887), Schriftsteller und Ästhetiker
Empfohlene Zitierweise:
Eduard Hanslick: Richard Wagners Judenthum in der Musik. Oesterreichische Journal A.G., Wien 1869, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Richard_Wagners_Judenthum_in_der_Musik.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)