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Walther Kabel: Riesenwürmer. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 6, S. 224–228

erst unlängst festgestellt wurde, die Heimat einiger Arten von Würmern, die man mit Recht als Riesenwürmer bezeichnen kann. Diese im Meere vorkommenden, infolge ihrer Körperlänge besonders interessanten Würmer gehören sämtlich zu der Familie der Ringelwürmer, deren uns bekanntester Vertreter der Regenwurm ist. Die meerbewohnenden Ringelwürmer besitzen durchweg einen deutlich abgesetzten Kopf, starke Kiefer und sehr kompliziert eingerichtete Sehorgane. Sie sind vorzügliche Schwimmer und als gefräßige Räuber gefürchtet.

In der Südsee trifft man die Gattung Eunicidae recht häufig an. Diese Würmer werden über 1 Meter lang und nähren sich hauptsächlich von Fischkadavern, verschmähen aber auch andere Tierleichen nicht. So berichtet der Kapitän eines deutschen Dampfers, der nach der Marschallinsel Taongi Zuchtvieh zu liefern hatte, von einem Erlebnis mit diesen Riesenwürmern folgendes: „Beim Ausladen der Rinder passierte uns das Unglück, daß eines der Tiere gerade in der Brandung von dem Transportfloß ins Wasser fiel und trotz unserer Rettungsversuche ertrank. Am nächsten Tage hatten die Wellen den Kadaver auf eine Untiefe dicht am Ufer getrieben, wo er liegen blieb. Es ragte nur die eine Seite des Tieres aus dem Wasser. Eine Woche später sahen wir uns aber genötigt, das tote Rind, das mittlerweile in Verwesung übergegangen war und die Luft weithin verpestete, an Land zu schleppen und zu vergraben.

Als wir uns im Boote der Untiefe näherten, machte mich der eingeborene Lotse auf einige dunkle Schatten aufmerksam, die pfeilschnell durch das Wasser glitten, und die ich im ersten Augenblick für Schlangen hielt. Der Lotse aber belehrte mich in seinem wunderlichen Kauderwelsch von Deutsch und Englisch eines Besseren. Es seien Sailopowürmer, Leichenfresser, wie die Taonginer sie getauft haben. Und dabei schüttelte der Mann sich vor Abscheu.

Ich ließ dann durch meine Leute an den Hinterbeinen des Rindes Stricke befestigen, um es so ans Land zu ziehen. Während dieser Arbeit bemerkte ich noch mehrere dieser schlangenähnlichen Geschöpfe, die aus dem dichten Vorhang von Seegras,

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Riesenwürmer. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 6, S. 224–228. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1913, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Riesenw%C3%BCrmer.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)