Seite:Riessler Altjuedisches Schrifttum ausserhalb der Bibel 060.jpg

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Wohlan!
So gürtet eure Lenden für die Weheklage,
stimmt mit mir Trauerlieder an!
Wehklagt mit mir!

9
Ihr Ackerbauer!

Ihr sät nicht mehr!
Du Erde!
Weshalb gibst du der Ernte Früchte her?
Halt doch zurück in deinem Schoß
die Nahrung voller Wohlgeschmack!

10
Du Weinstock!

Weshalb gibst du den Wein noch immer her?
Nichts wird davon nach Sion mehr gebracht
und auch die Erstlingsfrüchte nicht mehr abgeliefert.

11
Ihr Himmel!

Behaltet euren Tau!
Macht nicht des Regens Vorratskammern auf!

12
Du Sonne!

Behalte deiner Strahlen Licht!
Wozu soll dort noch weiter Licht erstrahlen,
wo Sions Licht verdunkelt ist?

13
Brautleute!

Betretet nicht das Brautgemach!
Jungfrauen!
Laßt eurer Kränze Schmuck!
Ihr Weiber, betet nicht um Kindersegen!

14
Die Unfruchtbaren müssen vielmehr fröhlich sein,

und freuen sollen sich, die keine Kinder haben!
Die Kindermütter müssen traurig sein.

15
Weswegen sollen sie mit Schmerzen noch gebären?

Nur, um mit Seufzern zu begraben?

16
Weswegen sollen Menschen Kinder noch besitzen?

Warum soll vom Geschlecht der menschlichen Natur
noch weiterhin die Rede sein,
wo hier nun diese Mutter ganz verstört
und ihre Kinder in Gefangenschaft geschleppt?

17
Von jetzt ab dürft ihr nimmer von der Schönheit reden

und nicht erzählen von der Anmut.

18
Ihr Priester!

Nehmt jetzt die Tempelschlüssel!
Werft sie zur Himmelshöhe!
Gebt sie dem Herrn und sagt:
„Bewache du dein Haus!
Wir sind als trügerische Haushalter befunden worden.“

19
Ihr Jungfrauen,

die ihr mit Ophirgold
zusammen linnene und Seidenfäden webt,
nehmt schleunigst alles!