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3
So ging nun Michael

und brachte Abraham im Leib auf einer Wolke her
und führte ihn zum Weltenstrom.

4
Da schaute Abraham und sah zwei Tore,

das eine klein, das andere groß,

5
Und zwischen beiden Toren saß ein Mann

auf einem Thron voll Glanz
und eine Menge Engel rings um ihn.

6
Bald weinte er; bald lachte er;

das Weinen aber überstieg das Lachen siebenfach.

7
Da fragte Abraham den Michael:

Wer ist doch der,
der zwischen beiden Toren sitzt voll Herrlichkeit,
bald weint, bald lacht
und dessen Weinen siebenfach das Lachen übersteigt?

8
Da sagte Michael zu Abraham:

Erkanntest du ihn nicht, wer’s ist?

9
Er sagte: Nein, o Herr.
10
Da sagte Michael zu Abraham:

Siehst du die beiden Tore hier, das kleine und das große?

11
Es führen diese in das Leben und in das Verderben.
12
Der Mann, der zwischen ihnen sitzt, ist Adam,

der erste Mann, den einst der Herr geschaffen.

13
Er setzte ihn an diesen Platz,

damit er jede Seele
beim Austritt aus dem Körper schaue:
von ihm ja stammen alle ab.

14
Wenn du ihn weinen sahst, so wisse,

er schaute viele Seelen ins Verderben gehen!

15
Wenn du ihn lachen sahst,

so sah er ein paar Seelen in das Leben eingehen.

16
Siehst du, wie er mehr weint als lacht?

Weil er der Menschen Mehrzahl
durch diese breite Straße zum Verderben ziehen sieht.
Deswegen übersteigt das Weinen siebenfach das Lachen.


9. Kapitel: Die enge Pforte
1
Da fragte Abraham:

Wer aber durch die enge Pforte nicht eintreten kann,
vermag der nicht ins Leben einzugehen?

2
Dann weinte Abraham und sprach:

Weh mir! Was soll ich tun?

3
Ich bin ein Mensch, so breit durch meinen Körper.

Wie kann ich in die enge Pforte treten,
durch die kein fünfzehnjähriger Knabe kommen kann?

4
Da sagte Michael zu Abraham:

Hab keine Angst noch Trauer, Vater!