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60. Testament des Salomo


1. Kapitel: Der gefesselte Dämon
1
Gepriesen bist du Herr Gott,

der du dem Salomo so große Macht verliehen!
Dir sei Lobpreis und Ruhm in Ewigkeit! Amen. –
Als zu Jerusalem der Tempel ward gebaut
und Bauleute dabei beschäftigt waren,

2
erschien der Geist Ornias

zur Zeit des Sonnenunterganges
und nahm dem jungen Oberaufseher
die Hälfte seines Lohnes und der Speise.
Und dazu saugt er täglich
am Daumen seiner rechten Hand.
Da ward der Jüngling, der mein Liebling war,
ganz abgezehrt.

3
Da ließ ich, Salomo, den Jüngling eines Tages rufen

und fragte ihn:
Hab ich dich nicht weit mehr geliebt
als alle andern an dem Gottestempel angestellten Bauarbeiter?
Gewährt ich dir nicht doppelt soviel Lohn und Kost?
Wie kommt’s,
daß du mit jedem Tage abgezehrter wirst?

4
Der Jüngling sprach:

Ich bitte dich, mein König.
Hör, was mir zugestoßen!
Ruhen wir uns von der Arbeit an dem Gottestempel aus
nach Sonnenuntergang,
dann kommt in der Erholungszeit ein böser Geist
und raubt die Hälfte meines Lohnes mir und meiner Kost;
er nimmt auch meine rechte Hand
und saugt an meinem Daumen.
Da sich nun meine Seele drüber ängstigt,
so zehrt mein Körper täglich immer weiter ab.

5
Als ich, der König Salomo, dies hörte,

ging ich zum Tempel Gottes
und betete aus ganzer Seele Tag und Nacht,
es möchte mir der Dämon überliefert werden,
ich möchte ihn in meine Hand bekommen.