Seite:Riessler Altjuedisches Schrifttum ausserhalb der Bibel 1298.jpg

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schlechter Behandlung.

  • 61: 1 nach 59, 5 A vielleicht Bestialitätssünde gemeint „viele Wohnungen“ s. Joh 14, 2.


31. Zu Heraklit

Heraklit war der berühmte griechische Philosoph aus Ephesus, ungefähr ums Jahr 500 v. Chr. Er ist bekannt durch seine trübe Ansicht vom menschlichen Leben. Man sagte von ihm, er weine immer im Gegensatz zu Demokrit, dem immer Lachenden. Seine Schriften, die er im Artemistempel zu Ephesus niederlegte, waren außerordentlich dunkel. Auch unter seinem Namen wurden Briefe verfaßt, um eine unterhaltende und belehrende Lektüre zu schaffen. Zwei davon verraten eine jüdische Hand (s. 4, 2), der vierte und der siebte. Ihre Abfassung mag nach 4, 2 in den Anfang der christlichen Zeitrechnung fallen. (s. Hercher, Epistolographi Graeci 1873, J. Bernays, Die heraklit. Briefe 1869, Jahrbücher für klassische Philologie Suppl. 19, 1893, 386 ff. Ed. Norden, Der vierte heraklit. Brief)

  • IV. Brief.
  • 1: 1 Dieser Brief handelt von einer Anklage gegen Heraklit wegen Gotteslästerung. 3 Hermodor, Staatsmann und Heraklits Freund, wurde von der demokratischen Partei aus Ephesus verbannt; mit ihm trat auch Heraklit von aller politischen Tätigkeit zurück und begab sich in die Einsamkeit des Artemistempels. 3 Euthykles und sein Vater sind unbekannt. Der Tempel ist der Artemistempel; der Altar der des Herakles. Die Anklage wegen Gotteslästerung beruht auf einer aus der heraklitischen Spekulation abgeleiteten Lehre; sie behauptet nämlich, Heraklit habe sich selbst für einen Gott ausgegeben. Heraklit lehrte nämlich die Wesenseinheit der Gegensätze von Leben und Tod und behauptete, daß zwischen den unsterblichen Mächten und den sterblichen Geschöpfen ein ununterbrochener Rollentausch stattfinde, ein Eingehen des Unsterblichen in die Sterblichkeit und ein Erwachen der Toten zu neuem Leben. Diese philosophische Lehre wurde von den Stoikern in eine ethische verwandelt, die in dem Satze gipfelt, daß der weise und gute Mensch göttlich oder Gott sei. Deshalb konnte der in der Blütezeit des Stoizismus lebende Verfasser gegen Heraklit eine Anklage wegen Menschenvergötterung erheben lassen.
  • 2: 1 Zuerst wendet sich der Verfasser in seinem Kampf gegen den Götterkult zu der Tempelzelle, wo das Götterbild aufgestellt war. Da die meisten Tempelzellen ganz finster waren, ruft der Verfasser, der das Licht als Gottes erste Schöpfung kannte, höhnisch den Hellenen zu: „Ihr seid fromm, die ihr Gott, den Vater des Lichtes, im Finstern aufstellt.“ 2 Nach der Zelle kommt der Götze selbst an die Reihe. Da das Bild aus Marmor ist, paßt so gut, wie auf einen stumpfsinnigen Menschen, auf einen solchen Gott der Ausdruck „er ist steinern“, und wie von einem Menschen niedriger Herkunft gilt auch von ihm das homerische Sprichwort „er ist aus Felsen geboren“ (Odyss. 19, 163). 3 Von der Bildsäule geht der Verfasser zu ihrem Fußgestell über. Nur falsche Götter brauchen einen Boden, worauf sie stehen. Der wahre Gott, der alles Daseins Grund und Boden ist, ruht auf und in sich selbst. Die den Tempelvorhof umschrankende Einfassung erscheint dem Verfasser als Zeichen einer irrigen, die schrankenlose Unendlichkeit Gottes verkennenden Vorstellung. Der allein Gottes würdige Tempel ist das gesamte Weltall. Dies erinnert an Is 66, 1 und