Seite:Riessler Altjuedisches Schrifttum ausserhalb der Bibel 219.jpg

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daß das Menschenleben aus Schmerzen und Strafen besteht.
Wenn du das alles erwägst, dann wirst du mitleidig gestimmt.
Gott ist ja auch mitleidig.

209
Er spendete ihm Beifall und fragte den nächsten:

Was ist das Wesentlichste für das Regieren?
Er antwortete:
Sich unbestechlich halten, den größten Teil des Lebens nüchtern sein,
Gerechtigkeit ehren und Gerechte zu Freunden machen.
Gott liebt ja auch die Gerechtigkeit.

210
Auch diesem stimmte er zu; dann sprach er zum nächsten:

Worin muß die Frömmigkeit bestehen?
Er sprach: Im Glauben, daß Gott alles in allem wirkt und alles kennt
und daß kein Mensch, der unrecht oder übel handelt, ihm verborgen bleibt.
Denn wie Gott der ganzen Welt Gutes tut,
so kannst auch du fehlerlos bleiben,
wenn du ihm nachahmst.

211
Er stimmte ihm zu und sprach zum nächsten:

Worin besteht das Wesen des Königtums?
Er sprach:
In der rechten Selbstbeherrschung,
dagegen nicht im Vertrauen auf Reichtum und Macht
und nicht in unziemlichen Begierden, wenn du es recht bedenkst.
Dir steht ja alles zu Gebot, was du benötigst.
Gott aber ist bedürfnislos und milde.
Du aber bedenke, daß du ein Mensch bist!
Verlange nicht vieles,
sondern nur das zum Regieren Notwendige!

212
Er belobte ihn

und fragte den nächsten, wie er die besten Gedanken haben könnte.
Er sprach: Wenn er sich in allem stets die Gerechtigkeit vor Augen halte
und Ungerechtigkeit für Raub am Leben halte.
Gott verheißt ja auch in allem den Gerechten die größten Güter.

213
Er lobte ihn und fragte den nächsten,

wie er im Schlafe ungestört sein könnte.
Er antwortete: Deine Frage ist schwer zu beantworten.
Denn beim Schlafen können wir nicht selber bestimmen;
wir werden dabei vielmehr von unberechenbaren Vorstellungen beherrscht.

214
Wir haben zwar in der Seele den Eindruck,

als sähen wir die Vorstellungen;
aber wir irren,
wenn wir glauben, übers Meer in Schiffen zu fahren
oder durch die Luft zu fliegen
und in ferne Länder zu reisen und anderes Derartiges.
Und doch halten wir dies für Wirklichkeit.

215
Soweit ich nun urteilen darf, bin ich dieser Meinung:

Du solltest auf jede Art, König,
die Worte und Werke nach der Frömmigkeit einrichten,
damit du dir bewußt bleibest,