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Nur der ist imstand, die Fleischestriebe zu beherrschen,
der sich um die Frömmigkeit aus ganzem Herzen kümmert,

19
im Glauben, daß man, gleich unsern Erzvätern Abraham,

Isaak und Jakob, für Gott nicht stirbt,
sondern für Gott lebt.

20
Deshalb ist es kein Widerspruch,

wenn einige von den Trieben beherrscht werden,
weil ihre Vernunft geschwächt ist.

21
Ist es denn möglich, daß jemand genau nach der Regel fromm philosophiert,
22
auf Gott vertraut und weiß, daß er ein heilig Ding ist,

um der Tugend willen jedes Ungemach zu leiden,
und dann doch nicht um der Frömmigkeit willen seine Triebe beherrscht?

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Der Weise und Mäßige allein ist ja der mannhafte Herr über die Triebe.
24
So konnten denn auch Knaben,

kraft der Philosophie ihrer gottgeleiteten Vernunft,
über noch schrecklichere Martern Herr werden.


8. Kapitel: Das Martyrium der Sieben Brüder
1
Beim ersten Versuch

hatte ja der Tyrann eine offenkundige Niederlage erlitten;
denn es war ihm nicht gelungen,
einen Greis zum Genuß unreiner Speisen zu zwingen.

2
So befahl er nun in heftigster Leidenschaft,

aus der hebräischen Jugend andere vorzuführen.
Äßen sie Unreines, dann solle man sie nach dem Genuß freilassen,
weigerten sie sich aber, dann solle man sie noch peinlicher foltern.

3
Auf diesen Befehl des Tyrannen hin

wurden samt der alten Mutter sieben Brüder vorgeführt,
schön, bescheiden, edel und überaus anmutig.

4
Als der Tyrann sie erblickte,

wie sie gleichsam im Chore die Mutter umringten,
schenkte er ihnen Beachtung
und, betroffen von ihrem Anstand und Adel,
lächelte er ihnen zu, rief sie näher und sprach:

5
Ihr Jünglinge! Ich bin einem jeden von euch wohlgeneigt

und bewundere eure Schönheit;
auch habe ich große Achtung vor einer solch stattlichen Zahl von Brüdern.
Darum gebe ich euch nicht nur den Rat,
nicht in den gleichen Wahnsinn, wie der eben gefolterte Greis, zu verfallen,

6
sondern ich fordere euch auf, mir nachzugehen

und so meine Freundschaft zu genießen;
denn ich kann sowohl die Ungehorsamen bestrafen
als den Treugehorsamen wohltun.

7
Verlaßt euch darauf!

Ihr sollt wichtige Stellen in meinem Dienst bekommen,
wenn ihr die väterlichen und bürgerlichen Bräuche aufgebet.

8
Nehmet doch die griechische Lebensart an!

Ändert eure Gewohnheiten und genießet eure Jugend!