Seite:Riessler Altjuedisches Schrifttum ausserhalb der Bibel 857.jpg

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außer dir und deiner Schwester Melchol?
Laßt uns beide gegenseitig in der Wahrheit wandeln!

8
O Bruder! Es wäre besser gewesen,

ich wäre in der Schlacht getötet worden,
als daß ich in die Hände deines Vaters fiele.“
In der Schlacht blickten meine Augen überall umher,
daß ich ihn vor seinen Feinden beschützen konnte.
O mein Bruder Jonathan!
Höre meine Worte
und ist an mir ein Falsch, dann weise mich zurecht!

9
Da sprach Jonathan zu David:

Komm zu mir, mein Bruder David!
Ich will von deiner Gerechtigkeit reden.
Meine Seele schwindet in Trauer um dich dahin,
weil wir jetzt voneinander getrennt werden.
Unsere Sünden veranlaßten dies,
daß wir voneinander geschieden werden;
aber wir wollen uns weder bei Tag noch Nacht vergessen,
solange wir leben,
und wenn der Tod uns trennt,
dann weiß ich, daß sich unsere Seelen wieder erkennen werden.
Dein ist ja das Königtum in dieser Welt,
und mit dir beginnt das Reich, das seinerzeit kommt.

10
Gleich der Trennung eines Kindes von der Mutterbrust

wird unsere Trennung sein.
Zeugen seien Himmel und Erde für das, was wir unter uns besprochen!
Laßt uns nun zusammen weinen
und unsere Tränen in ein Gefäß bergen
und das Gefäß der Erde übergeben!
Es soll uns zum Zeugnis dienen!

11
Da weinten sie gar heftig zusammen

und küßten sich gegenseitig.
Jonathan aber fürchtete sich
und sprach zu David: Bruder!
Wir wollen des zwischen uns geschlossenen Bundes eingedenk bleiben
sowie des in unserm Herzen abgelegten Eides!
Sterbe ich früher als du,
und kommst du zur Königsherrschaft, wie der Herr versprach,
dann gedenke nicht des Zornes meines Vaters,
sondern des zwischen mir und dir geschlossenen Bündnisses!
Denke auch nicht an den Haß,
womit dich mein Vater grundlos verfolgte,
sondern an meine Liebe, die ich dir schenkte!
Denke auch nicht daran, daß dir gegenüber mein Vater undankbar war,
sondern erinnere dich des Tisches, woran wir gemeinsam aßen!
Halte auch im Gedächtnis nicht die Eifersucht fest,
die er gegen dich so schlimm gehegt,
sondern nur die Aufrichtigkeit, die zwischen mir und dir herrscht!