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9
Steh auf und geh zu Baruch!

Verkünd ihm diese Worte!

10
Und in der sechsten Stunde in der Nacht

geht auf die Stadtmauern!
Dann zeig ich euch,
daß sie die Stadt niemals betreten können,
wenn nicht ich selbst zuerst die Stadt vernichte.

11
Darauf verließ der Herr den Jeremias.


2. Kapitel: Des Jeremias Klage
1
Und da zerriß sich Jeremias die Gewänder

und streute Staub sich auf das Haupt.
Darauf betrat er Gottes Heiligtum.

2
Und Baruch sah den Staub auf seinem Haupt

und die zerrissenen Gewänder.
Er rief mit lauter Stimme:
„Ach Vater Jeremias! Was ist dir?
Oder welche Sünde hat das Volk getan?“

3
So oft das Volk ja sündigte,

hat Jeremias Staub sich auf das Haupt gestreut
und dann um Sündennachlaß für das Volk gebetet.

4
Und Baruch fragte ihn:

Was ist dir, Vater?

5
Da sagte Jeremias ihm:

Hüt dich, die Kleider zu zerreißen!
Laßt lieber unsere Herzen uns zerreißen!
Wir wollen jetzt nicht Wasser in die Teiche schütten;
wir wollen weinend sie mit Tränen füllen.
Der Herr erbarmt sich nimmer seines Volkes.

6
Und Baruch sprach:

Ach Vater Jeremias!
Was ist geschehen?

7
Da sagte Jeremias:

Gott gibt die Stadt in des Chaldäerkönigs Hand
und führt das Volk in die Gefangenschaft nach Babylon.

8
Als Baruch dies vernahm,

zerriß auch er die Kleider
und sprach:
Ach Vater Jeremias!
Wer offenbart dir dies?

9
Jeremias sprach zu ihm:

Wart mit mir nur ein wenig bis zur sechsten Stunde in der Nacht!
Alsdann erfährst du, ob die Rede wahr.

10
So blieben weinend sie am Brandopferaltar.