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Amalie. Ja, wenn er es vermag. Aber ich begreife die Möglichkeit nicht.

Hannchen. Ich auch nicht. Allein ich frage in solchen Fällen nie, ich vertraue felsenfest auf sein Wort und habe mich noch nie getäuscht.

Amalie. Könnte ich auch dieß Vertrauen haben!

Hannchen. Du kennst auch meinen Fritz nicht, und das ist gut; denn wenn du ihn kenntest, müßtest du ihn auch lieben.

Amalie (lächelnd). Meinst du?

Hannchen. Sieh, Amalie, es ist nicht die gewöhnliche Vergötterung der Verliebten, wenn ich meinen Fritz lobe, aber wahrlich, er ist ein seltener Mensch.

Amalie. Ein seltener Mensch – gewiß – aber ob auch unbedingt gut?

Hannchen. Hat auch dich die rauhe, äußere Schale getäuscht? O, könnte ich ihn dir zeichnen, wie er ist. Wie fest und unerschrocken er jedem Unrecht in den Weg tritt, wie er mit Kopf und Arm Jedem Hülfe bringt, der von Andern gedrückt wird, wie er das lauterste Feuer für das Schöne und Gute im Busen trägt, das selten nur, aber strahlend auflodert, wie er unter seinem rauhen Aeußern das zarteste, feinste Gefühl verbirgt und jede Rohheit ihm verhaßt ist.

Amalie. Aus dir spricht doch die Liebe!

Hannchen. Ja, die Liebe, die reinste und wärmste Liebe. Wüßtest du, wie ich ihn kennen gelernt, als er mich vor schnöden Beleidigungen einiger jungen Männer schützte, wie wir uns lieben lernten, wie ich an den Strahlen seines Geistes mich wärmte, wie mir in seinen Worten erst die Bedeutung des Lebens aufging. Ja, die Liebe spricht aus mir, denn

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Roderich Benedix: Das bemooste Haupt oder Der lange Israël. J. J. Weber, Leipzig 1846, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Roderich_Benedix_-_Das_bemooste_Haupt_(Leipzig_1846).pdf/74&oldid=- (Version vom 16.5.2023)