Seite:Samuel zieht die Bilanz und Tomi melkt die Moralkuh oder Zweier Könige Sturz.pdf/16

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2.

Mein armer Lublinski, der wohl nicht eben einen eigenwüchsigen, überlegenen Geist erbte, verstand überhaupt nicht, wie in seinem Zeitalter Menschen leben können, denen seine höchst ernsthafte Person andere als höchst ernsthafte Gefühle auslöst. Er wollte daher durchaus „gehaßt“ sein. Er stellte sich also auf den Markt und heischte Bürgermitleid als weinendes Opfer frechen Attentats. Er ging mit dem Beileidsteller herum und sammelte sich die Moralgroschen „aller anständigen Redakteure“. Er ließ durch „literarische Freunde“ Listen zirkulieren und das in diesem Büchlein veröffentlichte Capriccio, welches (ich bemerke es ausdrücklich) ursprünglich nur für einen kleinen Kennerkreis von Kunstgenossen geschrieben und gedruckt worden war, durch ganz Deutschland hin verbreiten. So wurden Namen „hervorragender Zeitgenossen“ zusammengescharrt zu einem Protest gegen „Mißbrauch der Satire“.

3.

Ein fröhliches ressentimentfreies Genre ästhetischer Karikatur ist bei uns Deutschen leider noch wenig bekannt und wohl auch wenig verstanden. Wir sind ernsthafte Leute und moralisieren. Es fanden sich daher dreiundreißig unfrohe Geister, die öffentlich nach Ehrengericht und Infamerklärung schrieen. Warum im aber mein Samuelchen gar so „hasse“, blieb ungeklärt. Eine Zeitung nur brachte die dunkle Kunde, Samuelchen meine, daß er vor zehn Jahren mich „rezensiert“ habe. Das habe mir so ans Mark gegriffen, daß im ein Jahrzehnt auf einem Basiliskenei brütete, bis die nachfolgende Natter zutage trat.

Ich habe nie eine Zeile Lublinskis über ober gegen mich gelesen. Seine urkomische Auslegung der Motive meines Schaffens machte mir leider unmöglich, die Komik, mit der ich „mein liebes Samuelchen“ behandle, durch ein paar Zeilen ernster Würdigung seiner schönen Gaben und Verdienste zu ergänzen. Ich hätte das gerne getan, denn ich habe das charmante und gespaßige Literaturfigürchen aufrichtig lieb. – Ach, er ist eine meiner unglücklichen Lieben, denn er erwidert meine Gefühle nicht.

4.

Meine gern geübte Liberalität für Samuelchen war aber auch zu seinem Glück nicht mehr nötig. Er ist nicht so einsam wie ich, sondern fand sogleich sehr viele freundliche