Seite:Samuel zieht die Bilanz und Tomi melkt die Moralkuh oder Zweier Könige Sturz.pdf/43

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Ihr Kerle danach wäret. Samuelchen ließ mich natürlichUeber Aesthetik der Satire. zu gleichmütig. Und insofern, fürcht ich, haben Sie ganz recht. Er eignet sich nicht zur Satire. Ach, könnt ich doch im Lublinskischen Zeitalter irgendwen ein bischen hassen. Aber auch Sie, Tomi, mein liebes, gutes Moralgroßmäulchen, so sittlich-rachsüchtig und dabei so friseurfein-schick, auch Sie, Tomi, werd ich immer nur lieb haben... Voila ma tragédie.

5.

Nein, Thomas Mann, Sie sind kein Dichter! Nur ein hochgezüchtet Marzipan-Mann aus Lübeck. Ich liebe tief Ihre wehmütig süßen Raffinements. Aber Sie tanzen mir zu schlecht! Warum ich grade dieses Oechslein dem Marsyasschinder weihete, so fragt Ihr Brief naiv bei mir an. Grade diesen Typ des liebearmen Esprit, welcher rezensiert, statt zu erbluten, „Stellung nimmt“, statt zu erleben? – Wirklich, ich weiß das nicht! Aber ich glaube, wir Dichter kennen weder Absichten noch Zufall. Apoll wohl zwang mich, aus Samuelchens lieber Seele das europäische Espritjüdchen herauszufiltern, ein Paradigma, ein neues Wort, einen neuen Irrtum schaffend. Nur die Bürger und die viel zu vielen anständigen Literaten glauben an Ressentiments als an das Gemeine, das sie verstehen. Denn wo die Anständigen einen kunstheiteren Spötter auf der Tat ertappen, haben sie die Strafe der Kastration vorgesehen, damit sein Fleisch fürder bitter schmeckt. Zur lachenden Bosheit (Tom, das verstehen Sie ja nicht) gehört viel selbstlose Liebe. Fragen Sie Ihren Nachbarn Thomas Theodor Heine, wie er Karikaturen macht. Er wird Ihnen sagen, daß er nur Menschen karikieren kann, zu deren Verspottung selbstquälerisch Wahlverwandtschaft ihn reizt. Wer Bismarck fein verlächerlicht, muß ein Stückchen Bismarck haben. Herzlich lachen, Tom, macht einzig Persiflage, die von uns selber erlöst. „Du verhöhnst dein eigen Blut!“ ruft der immergallige Bürger. Wir erwidern: „Was dürft ich wohl sonst verlachen? Ist denn nicht Satire Opfertat?“

6.

“Lüge“ aber schimpfen Sie meine Burleske! All das gräßliche Geschwätz, welches Lessing, der Pasquillant, meinem Freunde, dem „Dichter“, in den Mund legt, kann der in Fleisch und Blut an meinem Herzen Ruhende nie gesprochen haben! Denn mein Freund ist „geistreich und feinsinnig“. Er mauschelt nicht. Es ist nicht richtig, daß sein Schwesterlein nur an