Seite:Samuel zieht die Bilanz und Tomi melkt die Moralkuh oder Zweier Könige Sturz.pdf/84

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5.

Dieses zarte Portrait des Romantiker-Bourgeois, der sentimentalisch zum Halkyonisch-Heitern sich trainiert, bekam kräftigeren Umriß, frischeren Ton durch persönlichen Zufall. Thomas Manns spätere Gattin, Hedwig Dohms begabte und reizvolle Enkelin, kannte ich seit frühen Mädchenjahren. Hörte manch Konfidentielles in Tagen, wo junger Gefühle schwankende Peripetie der jungen Frau Enttäuschtes, Bitteres, Ungerechtes auf die Zunge drängte. Ihn und seinen genialeren Bruder sah ich einige Male flüchtig. Täglich eine Zeitlang die Schwester. Sie spielte Theater im heimatlichen Göttingen, wo ich damals Mathematik studierte und Theaterkritiken schrieb; eine junge Schauspielerin, die ihre resignierte Chaiselongueexistenz, mit heroischer Sehnsucht nach einem Millionär, mit der Politur ihrer sehr schönen Hände und vieler Romanlektüre ausfüllte. Mit Rat und Tat suchte ich Ihr müdes, spätes Künstlertum zu stacheln; hundertmal sprach sie und schrieb von Dank. Plauderstunden, im Wald und stillem Zimmer ernste Gespräche in der Goßlerstraße, auf dem Rhons; die vielen kleinen, unscheinbaren Eindrücke der Tage können einem bewußten Geiste, der Gelebtes begrifflich seziert, fremde Seelen besser verständlich machen, als sie sich selber kennen. Ich glaube, Thomas Mann gut und scharf zu überschauen. Sollte es Trug sein, so weiß ich doch, daß ich ihn besser kenne, als er mich.


6.

Parabase.


Thomas Mann hat versucht (was er nie vermöchte) mich zu „beleidigen“; eines harmlos spielenden Satirchens flatternd tanzende Kordax mit knäbischer Hand zerstörend. Seine Nächsten, die mich kennen, deren selbstverständliche Pflicht war, ihren töricht verrannten Tomi vor gern ersparter Scham zu wahren, ließen wider besseres Wissen Unrecht zu; ohne Sinn und Grazie. – Soll ich nun Hesiods lockendem Liede trauen, welches „Rache“ süßer heißt, als des Hymettos Honig?.. Nein!! Ich fühle tief die Macht, mit Sinn und Grazie bürgerlich amüsante Existenzen zu portraitieren; tiefer: die Verantwortung, zu schonen, wo je ich mit Freundschaft beschenkte. Bin ich widerwillig gezwungen, hartnäckigen Eseln zu erwidern, so geschehe es, um objektiv nutzend aufzuweisen, was für Literaturgeschichte und Psychologie aus eines feinen Dichters kritischer Entgleisung zu gewinnen ist...