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LUISE MILLER.
(Kabale und Liebe.)


Man kann „Kabale und Liebe“, diese Jugendarbeit Schiller’s, nicht vollständig verstehen, wenn man sich nicht zugleich den Boden, auf dem sie gewachsen, vergegenwärtigt, das Würtemberg unter der Regierung des Herzogs Karl, wo Schiller die ersten herben Eindrücke empfing, die er nachher in „Kabale und Liebe“ künstlerisch zu gestalten suchte. Er malt uns die demoralisirende Maitressenwirthschaft aus der Jugendzeit dieses despotischen aber begabten und späterhin so vielfach verdienten Fürsten mit der schonungslosen Härte, mit der ein reines schwärmerisches Gemüth die Züge aus jener Epoche, die ihm noch allenthalben im Lande begegnen mussten, zu beurtheilen sich gedrungen fühlte, ja oft mit einer Brutalität, die nur aus dem ungezügelten Naturalismus seiner Dichtungsperiode zu erklären, und wol auch gutentheils auf Shakspeare’sche Reminiscenzen zurückzuführen sein möchte.

Bezeichnend für die damalige Zeit ist besonders die ungeheuere Kluft, die in dem Stück den Stand Ferdinand’s von dem der Tochter des Musikers trennt, und deren Bewusstsein so unaufhörlich aus allen Personen spricht, dass es uns fast übertrieben erscheint, während es damals sicherlich vollständig richtig war.

Luise ist nach dem Ausdruck der Lady, der die Eifersucht jedenfalls den Blick geschärft hat, „sehr interessant und doch keine Schönheit“; so hat sie der Künstler auch aufgefasst in dem Augenblick, da Ferdinand ihr sagt:

Die Limonade ist matt wie deine Seele!

Wenn wir die Sprache Luisens für ein sechzehnjähriges Mädchen viel zu gewählt und sententiös finden, so müssen wir dabei doch immer in Anschlag bringen, dass Ferdinand ihren Geist zu bilden gesucht,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/106&oldid=- (Version vom 1.8.2018)