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LADY MILFORD.
(Kabale und Liebe.)


Stellten die Figuren von „Kabale und Liebe“ ihrer stark übertriebenen Zeichnung halber alle dem Maler eine schwere Aufgabe, so gilt dies vielleicht am meisten von der Lady Milford, einem Charakter, den im Bilde zu beleben schon deshalb schwierig sein musste, weil er in der ungenügenden individuellen Motivirung, die ihm der Dichter zu Theil werden liess, uns auf den ersten Blick ungeheuerlich, ja unmöglich erscheint. Der Künstler hat die Schwierigkeit dadurch zu besiegen gesucht, dass er uns ein reizendes Weib zeigt, der man allenfalls jene leidenschaftliche Denkungsart zutrauen kann, die sie sagen lässt:

Wir Frauenzimmer können nur zwischen Herrschen und Dienen wählen, aber die höchste Wonne der Gewalt ist doch nur ein elender Behelf, wenn uns die grössere Wonne versagt wird, Sklavinnen eines Mannes zu sein, den wir lieben!

Eine feine, geistreiche, nervöse und verwöhnte, schlechten und guten Anwandelungen gleich zugängliche Frau, wie sie eben das Geschenk des Herzogs wegschiebt, entsetzt von dem Gemälde des Elends, das ihr der Ueberbringer aufrollte. Messen wir der Apologie Glauben bei, die sie mit wunderbarer Geschicklichkeit gegen den unerfahrenen Major versucht, der schnell gerührt, von der tiefsten Verachtung so leicht zur Bewunderung und Verehrung überspringt, so haben ihr Unglück und ihre Schönheit sie in die entehrende Lage geführt, aus der sie sich mit seiner Hülfe zu retten suchen möchte; im Grunde aber ist es eine

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/114&oldid=- (Version vom 1.8.2018)