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Grauen zugleich erfüllt. Will man die Lady kennen, wie sie sich Schiller wirklich gedacht hat, und nicht wie sie ihm in der Ausführung geworden ist, so muss man sie in ihrer Scene mit Luise betrachten, wo die hochmüthige, egoistische, reizbare Natur, ganz besonders aber das Schlangenartige des Wesens, die Raschheit der Wendung trefflich zum Vorschein kommt, und sie sich auch selber das Urtheil spricht, wenn sie zu Luise sagt:

Keinen Seitensprung, Lose! – Wenn es nicht die Promessen Ihrer Gestalt sind, was in der Welt könnte Sie abhalten, einen Stand zu erwählen, der der einzige ist, wo Sie Manieren und Welt lernen kann, der einzige ist, wo Sie sich Ihrer bürgerlichen Vorurtheile entledigen kann?

und wenn sie dann später wüthend auffährt:

Ich kann nicht mit ihm glücklich werden, aber du sollst es auch nicht werden. – Wisse das, Elende! Seligkeit zerstören ist auch Seligkeit –

oder gar Luisen zuletzt echt englisch den Mann ihres Herzens abkaufen will:

Wo bin ich? Wo war ich? Was hab’ ich merken lassen? Wem hab’ ich’s merken lassen? – O Luise, edle, grosse, göttliche Seele! Vergib einer Rasenden. – Ich will dir kein Haar kränken, mein Kind! Wünsche! Fordre! Ich will dich auf den Händen tragen, deine Freundin, deine Schwester will ich sein. – Du bist arm – sieh! (einige Brillanten herunternehmend) ich will diesen Schmuck verkaufen – meine Garderobe, Pferd und Wagen verkaufen – dein sei alles, aber – entsag’ ihm!

Da ihr dies nicht gelingt, tröstet sie sich schliesslich wenigstens mit der Vorstellung, welchen Eclat ihr Entschluss, den Hof zu verlassen, machen werde, und sagt:

Auftaumeln wird sie, die fürstliche Drahtpuppe! Freilich! Der Einfall ist auch drollig genug, so eine durchlauchtige Hirnschale auseinander zu treiben. – Seine Hofschranzen werden wirbeln – das ganze Land wird in Gährung kommen!

Indem sie so zehn Seelenstimmungen in einer Viertelstunde durchläuft, und ebenso viele Seiten ihres Charakters zeigt, die im Grunde

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/116&oldid=- (Version vom 1.8.2018)