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PHILIPP II.
(Don Carlos.)


Die deutsche Dichtkunst hat kein Werk, in welchem die Natur des Absolutismus, die unausbleiblichen Wirkungen desselben auf die nächste Umgebung des Herrschers, sowie auf alles, was er überhaupt zu erreichen vermag, mit gleicher oder auch nur annähernder Meisterschaft gezeichnet wäre, als in „Don Carlos“. Das charakteristische Moment des Despotismus ist die Unterdrückung aller wahren Productivität, weil jede Production einen Fortschritt bedingt, der Absolutismus aber jeden negirt und negiren muss, weil die Production als etwas Organisches sich nach ihren innern Gesetzen entwickelt und daher dem äussern Zwang überall widerstrebt. Die Despotie, in welcher Form sie auch auftrat, als monarchischer, demokratischer oder kirchlicher Absolutismus, ist daher von jeher ihre geschworene Feindin gewesen, hat immer das Streben gezeigt, das Organische zum Mechanischen zu verkehren und herabzuwürdigen.

Dies letztere Moment ist es denn auch, welches Schiller zuerst zeigt, da er uns in das Hof- und Staatsleben von Madrid einführt; es gelingt ihm dadurch leicht, uns mit jenem Schauder und Widerwillen gegen die Tyrannei zu erfüllen, deren Erregung wol jedenfalls eine Absicht seines Stücks sein musste. Indem wir aber diese culturfeindliche Wirkung zuerst gewahren, werden wir natürlich gestimmt, die Ursache zu hassen, um so mehr, als uns sofort die herrschende Rechtlosigkeit gezeigt wird. Der Vater hat dem Sohn die geliebte Braut geraubt; der heiligste Anspruch also des nach dem Tyrannen höchstgestellten Mannes im Staat gilt nichts, hier gibt es blos Recht für den einen, – für alle andern existirt es nicht. Neben dem unterdrückten Sohn sehen wir nun noch die Werkzeuge der Unterdrückung. Da ihnen die Lust

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/122&oldid=- (Version vom 1.8.2018)