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wenn sie sagt:

 Sein Geschenk allein
Ist dieses neue Leben, das ich lebe.

Es würde in dieser Leidenschaft, wie in jeder andern, das egoistische Element uns beleidigen: Thekla’s edlere Natur trägt sie auch über diese Klippe weg, und wenn sie einerseits entschlossen ist, alles an den Besitz des Geliebten zu setzen:

Den festen Willen hab’ ich kennen lernen,
Den unbezwinglichen, in meiner Brust,
Und an das Höchste kann ich alles setzen –

so heiligt sie dies für unser Gefühl wieder durch die grenzenlose Opferlust der Jugend, vor allem aber dadurch, dass ihr die Liebe heiliger ist als der Geliebte, seine Ehre mehr gilt als seine Person, ja dass sie nicht einen Augenblick zögert, das eigene Glück, die letzte Hoffnung dieser Ehre zu opfern. Dass sie ihm lieber entsagt, als dass sie einen Flecken an ihm wüsste, der ihr ein Gott ist, dies ist ein Zug, der ihrem hohen Sinn nicht allein, der auch einem echt weiblichen Charakter entspricht.

Die letzte Scene, in der Max die Entscheidung über sein Handeln, somit seine Ehre ihrer richtigen Empfindung anvertraut, ist nicht nur eine der ergreifendsten des ganzen Stücks, sondern sie beruht auch auf einer tiefen Kenntniss des menschlichen Herzens, es ist jene sichere Empfindung für alles Edle in der echt weiblichen Natur, an die Max im heftigsten Zwiespalt sich wendet, wenn er sie bittet:

Leg’ alles, alles in die Wage, sprich
Und lass dein Herz entscheiden –

und sie ihm erwidert:

 O das deine
Hat längst entschieden. Folge deinem ersten
Gefühl –

und dann ahnungsvoll fortfährt:

 Auch mich
Wird meines Vaters Schuld mit ins Verderben
Hinabziehn.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/204&oldid=- (Version vom 1.8.2018)