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Du hast gesiegt! Du tratst sie in den Staub! . . . .
Wie dich der edle königliche Zorn
Umglänzte, deine Reize mir verklärte!
Du bist das schönste Weib auf dieser Erde!

Ja, als sie ihm abwehrend sagt:

Mein Unglück sollt’ Euch heilig sein, mein Leiden,
Wenn es mein königliches Haupt nicht ist –

hat er keine andere Erwiderung als:

 Du bist nicht gefühllos:
Nicht kalter Strenge klagt die Welt dich an;
Dich kann die heisse Liebesbitte rühren,
Du hast den Sänger Rizzio beglückt,
Und jener Bothwell durfte dich entführen.

Gewiss die tiefste Demüthigung, die ihr werden konnte.

Es ist ein eigenthümlicher Zug der Frauennatur, wenn sie den Muth des Handelns verloren hat, doch den des Leidens zu behalten. Darin übertrifft die schwächste Frau den stärksten Mann, und auch Maria findet ihre ganze Frauenreinheit und königliche Würde wieder, als jede Hoffnung ihr entschwunden, keine Aussicht ihr mehr geblieben ist als die auf das Schaffot. Von diesem Augenblick an sehen wir nur edle und rührende Züge von ihr, ob sie nun den Schmerz des alten Ritters über den Verlust des Neffen theile, ihre Frauen tröste, und die klarste, ruhigste Einsicht in ihre Fehler bei der Beichte zeige:

Von neid’schem Hasse war mein Herz erfüllt,
Und Rachgedanken tobten in dem Busen. . . .
Ach, nicht durch Hass allein, durch sünd’ge Liebe
Noch mehr hab’ ich das höchste Gut beleidigt –

oder von Leicester Abschied nehme:

Ihr durftet werben um zwei Königinnen:
Ein zärtlich liebend Herz habt Ihr verschmäht,
Verrathen, um ein stolzes zu gewinnen –

es verlässt sie so wenig mehr ihre ruhig resignirte Hoheit als unsere wachsende tiefe Theilnahme.



Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/237&oldid=- (Version vom 1.8.2018)