Seite:Schiller-Galerie.pdf/244

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Eine tiefe Kenntniss des weiblichen Herzens lässt sich dem aalglatten Lord freilich um so weniger absprechen; die geistreichste Frau hört doch noch lieber ihre Haut als ihr Gehirn preisen, und so lässt sich denn auch Elisabeth, da sie ihn eben mit Mortimer ertappt, beschwichtigen, als er schnell besonnen seine Verblüfftheit durch den Glanz ihrer Schönheit, der ihn geblendet, motivirt. Dieser einzige Zug würde genügen, um Schiller von dem Vorwurf zu reinigen, dass er das weibliche Herz nicht gekannt habe!

Allen Menschen, ganz besonders aber den notorisch geistreichen gegenüber muss man, wenn man einmal überhaupt lügt, nicht wenig, sondern recht dick lügen; denn wenig merken sie viel eher. Wenn es aber sehr arg ist, so denken sie, es müsse doch etwas dran sein, da man ihrem bekannten Verstande gegenüber so viel nicht wagen würde! Man hat dabei nur die Vorsicht zu gebrauchen, dass die Lüge das zum Inhalt hat, was sie sehr fürchten oder sehr wünschen. So sagt denn diesem Recept getreu Leicester zu Elisabeth:

Ich liebe dich. Wärst du die ärmste Hirtin,
Ich als der grösste Fürst der Welt geboren,
Zu deinem Stand würd’ ich heruntersteigen,
Mein Diadem zu deinen Füssen legen. . . .
 Ich stellte
Dich in Gedanken neben die Maria.
– Die Freude wünscht’ ich mir, ich berg’ es nicht,
Wenn es ganz insgeheim geschehen könnte,
Der Stuart gegenüber dich zu sehn!
Dann solltest du erst deines ganzen Siegs
Geniessen! Die Beschämung gönnt’ ich ihr,
Dass sie mit eignen Augen – denn der Neid
Hat scharfe Augen – überzeugt sich sähe,
Wie sehr sie auch an Adel der Gestalt
Von dir besiegt wird, der sie so unendlich
In jeder andern würd’gen Tugend weicht –

was zwar einen recht originellen Contrast bildet mit dem, was er eben gegen Mortimer geäussert, doch aber seine Wirkung nicht verfehlt.

Die Unterredung hat das bekannte Resultat und Leicester sieht sich von Burleigh durchschaut; da opfert er, um sein Benehmen zu

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/244&oldid=- (Version vom 1.8.2018)