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Die Gunst des königlichen Angesichts
Hat sie verwirkt, die Mordanstifterin,
Die nach dem Blut der Königin gedürstet.
Wer’s treu mit seiner Fürstin meint, der kann
Den falsch verrätherischen Rath nicht geben . . . .
Sie ist verurtheilt! Unterm Beile liegt
Ihr Haupt. Unwürdig ist’s der Majestät,
Das Haupt zu sehen, das dem Tod geweiht ist.
Das Urtheil kann nicht mehr vollzogen werden,
Wenn sich die Königin ihr genahet hat,
Denn Gnade bringt die königliche Nähe –

wenn er endlich nach dem unglücklichen Ausfall der Zusammenkunft und dem Mordversuch auf die Königin die Gelegenheit gekommen glaubt, um sie zur Vollziehung des Urtheils zu vermögen, die Ausfertigung mit grösster Eile besorgt, um von Elisabeth’s leidenschaftlicher Erregung Nutzen zu ziehen. Der entschlossene Charakter zeigt sich am meisten in den Scenen mit dem französischen Gesandten, mit Leicester, dessen Ränke er bald durchschaut, den er mit schneidendem Hohn überschüttet, mit kalter Bosheit zwingt, Maria selbst zum Tode zu führen:

Graf! Dieser Mortimer starb Euch sehr gelegen . . . .
Da es Mylord so treu und ernstlich meint,
So trag’ ich darauf an, dass die Vollstreckung
Des Richterspruchs ihm übertragen werde.

Die ganze Ueberlegenheit der Logik des Staatsmanns zeigt sich bei ihm, den übrigen, die blos von ihren Privatleidenschaften getrieben werden, gegenüber, als Elisabeth zögert, das Todesurtheil zu unterschreiben. Von dem Augenblick an, da er ihr sagt:

 Gehorche
Der Stimme des Volks, sie ist die Stimme Gottes –

da er Shrewsbury’s Einwendung, dass die Königin in dieser Stimmung nicht richten dürfe, beseitigt:

Gerichtet ist schon längst. Hier ist kein Urtheil
Zu fällen, zu vollziehen ist’s

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/260&oldid=- (Version vom 1.8.2018)