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Sie weiss, dass sie diesen Mangel ihrer Stellung nur durch die grenzenloseste Treue und Hingebung gutmachen kann, und bringt daher nicht nur ohne Zaudern auch das weitere Opfer ihrer Habe, sondern sie verschmäht jeden zeitlichen Vortheil, den sie von des Königs Leidenschaft zu ihr ziehen könnte. Sagt er doch selbst von ihr:

 Sie ist edel, wie ich selbst,
Geboren; selbst das königliche Blut
Der Valois ist nicht reiner; zieren würde sie
Den ersten Thron der Welt – doch sie verschmäht ihn,
Nur meine Liebe will sie sein und heissen.
Erlaubte sie mir jemals ein Geschenk
Von höherm Werth, als eine frühe Blume
Im Winter oder seltne Frucht? Von mir
Nimmt sie kein Opfer an und bringt mir alle,
Wagt ihren ganzen Reichthum und Besitz
Grossmüthig an mein untersinkend Glück.

Will sie also nichts für sich, als das Recht, ihm alles zu opfern, jenes schönste und liebenswürdigste Recht aller zarten Frauenherzen, so wendet sie dagegen alles an, um dem schwachen Mann seine Pflicht als König ins Gedächtniss zu rufen, ihn auf der Höhe seiner Stellung zu erhalten. Sie ruft ihm zu:

Verwandle deinen Hofstaat in Soldaten,
Dein Gold in Eisen! Alles, was du hast,
Wirf es entschlossen hin nach deiner Krone –

und zeigt noch den edelsten Muth, als das Misgeschick aufs höchste gestiegen ist, da er schon kleinmüthig verzagen will; sie stützt und trägt ihn mit Heldenmuth, da er zusammenbricht:

Das wolle Gott nicht, dass wir, an uns selbst
Verzweifelnd, diesem Reich den Rücken wenden!
Dies Wort kam nicht aus deiner tapfern Brust.
Der Mutter unnatürlich rohe That
Hat meines Königs Heldenherz gebrochen!
Du wirst dich wiederfinden, männlich fassen,
Mit edelm Muth dem Schicksal widerstehen,
Das grimmig dir entgegenkämpft.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/283&oldid=- (Version vom 1.8.2018)