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unverhältnissmässigen Härte der Strafe, dem Verluste des Geliebten.

Dieser Eindruck des Tragischen wird erhöht durch die hohe Anmuth, welche Schiller über das Bild der Beatrice ausgegossen hat, in den flüchtigen Pinselstrichen, die er ihm widmet, da ihr eigentlich nur eine einzige Scene gegönnt ist, um sich auszusprechen, ihr inneres Leben uns zu zeigen. Der Maler hat sie demnach gerade in dieser aufgefasst, in der sie, den Geliebten erwartend, sich ihres Fehls mit den Worten bewusst wird:

Den Schleier zerriss ich
Jungfräulicher Zucht;
Die Pforten durchbrach ich der heiligen Zelle!
Umstrickte mich blendend ein Zauber der Hölle?
Dem Manne folgt’ ich,
Dem kühnen Entführer, in sträflicher Flucht –

und in der rührendsten Weise sie dadurch motivirt:

Und sollt’ ich mich dem Manne nicht ergeben,
Der in der Welt allein sich an mich schloss?
Denn ausgesetzt ward ich ins fremde Leben,
Und frühe schon hat mich ein strenges Los
(Ich darf den dunkeln Schleier nicht erheben)
Gerissen von dem mütterlichen Schos –

sich dann bei der Mutter in Gedanken entschuldigt:

Vergib, du Herrliche, die mich geboren,
Dass ich, vorgreifend den verhängten Stunden,
Mir eigenmächtig mein Geschick erkoren.
Nicht frei erwählt’ ich’s; es hat mich gefunden.

Freilich bricht auch sofort die ganze südliche Glut der Leidenschaft heraus, wenn sie fortfährt:

Nicht kenn’ ich sie und will sie nimmer kennen,
Die sich die Stifter meiner Tage nennen,
Wenn sie von dir mich, mein Geliebter, trennen.
Ein ewig Räthsel bleiben will ich mir;
Ich weiss genug: ich lebe dir! –

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/332&oldid=- (Version vom 1.8.2018)