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zeigt. Höhere, aufs Allgemeine gerichtete Ideen, wie sie der mehr zum Heroischen, Unternehmenden neigende Charakter der feiner gebildeten Frau des Stauffacher hegt, liegen ihr fern, ihre Welt ist ganz allein in ihrem Hause, in ihrem Mann und ihren Kindern. Für diese besitzt sie aber eine um so rührendere Liebeskraft, die sich wie bei so vielen sanftern weiblichen Geschöpfen besonders immer in ewiger Furcht um sie äussert: eine Form die Zärtlichkeit zu verstecken, deren ungekünstelter und naiver Ausdruck uns tief bewegt, wenn der Tell ihr sagt, dass ihn die Natur nicht zum Hirten gemacht habe, und sie dann seines Jägerhandwerks gedenkend, in die Worte ausbricht:

Und an die Angst der Hausfrau denkst du nicht,
Die sich indessen, deiner wartend, härmt.
Denn mich erfüllt’s mit Grausen, was die Knechte
Von euern Wagefahrten sich erzählen.
Bei jedem Abschied zittert mir das Herz,
Dass du mir nimmer werdest wiederkehren.

Wenn sie der Künstler daher so dargestellt hat, wie sie den Gatten erwartet und ihm nachsinnt, so hat er ihr diese Stellung gegeben, weil sie die ihren Charakter am meisten bezeichnende Passivität und Innerlichkeit am entschiedensten auszusprechen schien. Zu den derben kräftigen Formen der Hausfrau, die überall selbst zugreift, und von früh bis spät an der Arbeit ist, war hier der schier kindliche sinnende Ausdruck eines Gesichts zuzugesellen, das Sanftmuth und tiefe starke Empfindung zugleich ausspräche, die sich aber für den geliebten Mann, die theuern Kleinen zur höchsten Leidenschaft zu steigern doch vermag. Am liebenswürdigsten ist sie vielleicht, wie sie, immer in Angst um ihn, sein muthiges Wagen für andere, die ihn nichts angehen, nicht versteht, und doch der Stolz auf ihn überall durchblickt, wenn sie ihm vorwirft:

Sie werden dich hinstellen, wo Gefahr ist;
Das Schwerste wird dein Antheil sein, wie immer. . . .
Den Unterwaldner hast du auch im Sturme
Ueber den See geschafft. – Ein Wunder war’s,
Dass ihr entkommen. – Dachtest du denn gar nicht
An Kind und Weib?. . . .

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 322. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/347&oldid=- (Version vom 1.8.2018)