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sind, die beiden die reichste Quelle ununterbrochenen Glücks und schönster Befriedigung werden sollte, in den sechzehn Jahren, die sie sich noch angehören durften, in denen unsere Lotte all jene aufopfernde und ausharrende Treue und Liebe entfaltete, der nur deutsche Frauen in solchem Grade fähig sind.

Die Verpflichtung zum Dank aber, den die deutsche Nation der liebenswürdigen Frau dafür schuldet, wird um so grösser, wenn wir die Veränderung betrachten, die durch sie im Dichter vorgeht. Bisjetzt hatte ihm offenbar noch das rechte Verständniss für das weibliche Herz gefehlt, alle Frauencharaktere, die er bis dahin geschaffen – mit einziger Ausnahme der vortrefflich nach dem Leben gezeichneten Geigersfrau in „Kabale und Liebe“ –, haben etwas Hartes und Gemachtes; es sind Gestalten, denen die rechte Lebenswärme trotz allem Pathos fehlt; man sieht, der Dichter hat die Frauen bis dahin nur durch das Medium der Phantasie oder der Sinne betrachtet. Von jetzt an aber schafft er uns eine Reihe herrlicher Frauencharaktere. Gräfin Terzky, die Herzogin von Friedland, Gustel von Blasewitz, Maria Stuart, Donna Isabella, Agnes Sorel, die Jungfrau von Orleans, Hedwig, Gertrud (Stauffacher’s Weib) u. a. können es wohl mit den Schöpfungen jedes andern Dichters an Lebensgefühl aufnehmen; es ist in den Beziehungen dieser Frauen zu den Männern, die sie lieben, eine Wahrheit und besonders ist über die Schilderung des ehelichen Verhältnisses eine natürliche Wärme ausgegossen, die bei Tell’s Frau die höchste Poesie erreicht und die wohl als die Frucht des häuslichen Glücks betrachtet werden darf, das der Dichter seiner Lotte verdankte.



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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/37&oldid=- (Version vom 1.8.2018)