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So armselig die Gründe sind, welche Rudenz angibt für sein frivoles und treuloses Thun:

Ja, ich verberg’ es nicht – in tiefer Seele
Schmerzt mich der Spott der Fremdlinge, die uns
Den Bauernadel schelten. . . .
Vergebens widerstreben wir dem König.
Die Welt gehört ihm: wollen wir allein
Uns eigensinnig steifen und verstocken,
Die Länderkette ihm zu unterbrechen,
Die er gewaltig rings um uns gezogen? –

so sind sie doch nicht minder in der Regel die bestimmenden gewesen, auch in unserer Periode, man hörte sie in der Napoleonischen Zeit von allen Anhängern des Rheinbundes mit grösster Schamlosigkeit vorbringen und es half lange Zeit wenig, dass die echten Conservativen, die Heroengestalten, an denen der deutsche Adel auch damals keineswegs arm war, gleich Attinghausen den Ueberläufern entgegenhielten:

Nein, wenn wir unser Blut dran setzen sollen,
So sei’s für uns – wohlfeiler kaufen wir
Die Freiheit als die Knechtschaft ein! . . . .
Ans Vaterland, ans theure, schliess dich an,
Das halte fest mit deinem ganzen Herzen!
Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft.

Die Jugend, deren beide Richtungen wir in Rudenz und Melchthal repräsentirt sehen, die die neue Zeit heranführt, muss ihre eigenen Bildungsprocesse durchmachen. Bei Rudenz führt er zu einem glücklichen Ende durch die kerngesunde, echte Gesinnung des Fräuleins, die ihn an sich gefesselt, die die Schweizerin in jedem Zug ausspricht, obwol sie nicht speciell den Waldstätten angehört. Der kühnen Jägerin ganzes Herz schlägt mit jener liebenswürdigen Treue der Frauen für die geliebte Heimat, und was die Gründe des Onkels nicht vermochten, gelingt ihrer zornigen Zärtlichkeit mit leichter Mühe, denn beschämt vor einem geliebten Weib zu stehen, erträgt kein Mann, der noch einen Funken von Ehre hat. Er kann aber durch falsche Schlussfolgerungen, irrige Systeme verführt werden, während die Frau den ersten grossen Forderungen der Natur immer nahe bleibt, immer

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/371&oldid=- (Version vom 1.8.2018)