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zwingender für uns, als wenn man eine gute Meinung von unserm Charakter ausspricht, wenn man die Voraussetzung sehen lässt, dass wir etwas Schlechtes zu thun nicht im Stande sind. Selten werden wir dann noch wagen zu widerstehen, sie nicht zu rechtfertigen. Wenn ihm Bertha daher weiter sagt:

Nein, nein! Das Edle ist nicht ganz erstickt
In Euch! Es schlummert nur, ich will es wecken –

so ist ihr Sieg entschieden; denn welcher Liebende vermöchte es, der Geliebten gegenüber eine Gelegenheit zu versäumen, sich edel zu zeigen?

Eine von Natur kühne Frau wird herrschsüchtig, mischt sich in die Geschäfte des Mannes nur dann, sobald sie sieht, dass er seiner Pflicht fehle und schwach wird; sie tritt aber um so lieber augenblicklich in ihre Sphäre zurück, sobald er seiner Pflicht genügt, Muth und Entschlossenheit zeigt. Dann erscheint bald nur wieder das liebende Weib, das blos um sein Wohl besorgt ist. Haben wir also Bertha in der ersten Scene ihn mit stolzem Hohn übergiessen sehen, ist sie nicht nur als kernhafte, derbe, deutsche Maid, sondern auch als ein Glied der heimischen Opposition erschienen, so lässt sie das alles fallen, als der Geliebte, zu seiner Pflicht zurückkehrend, mit furchtloser Entschiedenheit dem Landvogt entgegentritt:

 Ich hab’ still geschwiegen
Zu allen schweren Thaten, die ich sah . . . .
Doch länger schweigen wär’ Verrath zugleich
An meinem Vaterland und an dem Kaiser. . . .
Das Beste aller glaubt’ ich zu befördern,
Da ich des Kaisers Macht befestigte –
Die Binde fällt von meinen Augen –

da denkt sie nur noch an ihn und sucht ihn zurückzuhalten; die Heldenjungfrau verschwindet, weicht dem liebenden Weib, das schliesslich am Herzen des durch sie zu seinem Volk zurückgeführten Geliebten seine neue Heimat findet.



Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 348. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/373&oldid=- (Version vom 1.8.2018)