Seite:Schiller-Galerie.pdf/404

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Auf diesem Hintergrund heben sich nun die beiden Figuren der Marfa und des Demetrius empor, wo uns die erstere in ihrem wilden glühenden Rachegefühl einen wahrhaft erschütternden Eindruck hinterlässt. Die deutsche Poesie hat wol nichts Gewaltigeres geschaffen als jene Scene, wo sie die Mittel zur Rache sich in die Hände gegeben sieht:

O, endlich kann ich meine Brust entladen!
Ausschäumen endlich gegen meinen Feind
Der tiefsten Seele lang verhaltnen Groll!
– – – – Wer war’s, der mich
In diese Gruft der Lebenden verstiess,
Mit allen frischen Kräften meiner Jugend,
Mit allen warmen Trieben meiner Brust?
Wer riss den theuern Sohn mir von der Seite,
Und sandte Mörder aus, ihn zu durchbohren?
O! keine Sprache nennt, was ich gelitten,
Wenn ich die langen hellgestirnten Nächte
Mit ungestillter Sehnsucht durchgewacht,
Der Stunden Lauf an meinen Thränen zählte!
Der Tag der Rettung und der Rache kommt;
Ich seh’ den Mächtigen in meiner Macht. . . .
Es ist mein Sohn, ich kann nicht daran zweifeln. . . .
Er ist’s, er zieht mit Heereskraft heran,
Mich zu befreien, meine Schmach zu rächen!
Hört seine Trommeln! seine Kriegsdrommeten!
Ihr Völker, kommt vom Morgen und Mittag
Aus euern Steppen, euern ew’gen Wäldern!
In allen Zungen, allen Trachten kommt!
Zäumet das Ross, das Renthier, das Kameel!
Wie Meereswogen strömet zahllos her,
Und dränget euch zu euers Königs Fahnen! –
O warum bin ich hier geengt, gebunden,
Beschränkt mit dem unendlichen Gefühl!
Du, ew’ge Sonne, die den Erdenball
Umkreist, sei du die Botin meiner Wünsche!
Du, allverbreitet ungehemmte Luft,
Die schnell die weitste Wanderung vollendet,
O trag’ ihm meine glüh’nde Sehnsucht zu!
Ich habe nichts, als mein Gebet und Flehn;
Das schöpf’ ich flammend aus der tiefsten Seele,
Beflügelt send’ ich’s zu des Himmels Höhn,
Wie eine Heerschar send’ ich dir’s entgegen.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/404&oldid=- (Version vom 1.8.2018)