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FRANZ MOOR.
(Die Räuber.)


Als des „kalten, trockenen, hölzernen Franz“ erwähnt sein eigener Vater der giftigen Viper, deren furchtbarer Charakter als eine der genialsten Schöpfungen unsers Dichters wol immer anerkannt bleiben wird. Jene Benennung scheint sprichwörtlich gewesen zu sein im Moor’schen Schlosse, um den jüngern der beiden Söhne zu bezeichnen, ehe man ihn noch besser kannte.

Doch sehen wir gleich in der ersten Scene, dass es ihm weder an Witz noch an Bosheit fehlt, am allerwenigsten aber an Reflexion; die Neigung zur Sophistik, zum Klügeln ist vielmehr das hervortretende Element bei ihm, er hat einen starken philosophischen Tic und beurkundet überall seine genaue Bekanntschaft mit der materialistischen Philosophie des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts, – ihr ganzes Raisonnement hat er sich angeeignet und es zur Rechtfertigung seiner entsetzlichen Wünsche vor sich selber verbraucht.

Bekanntlich ist man viel mehr geneigt, die glänzenden äussern Vorzüge anderer zu beneiden als ihre innern, bei denen man sich gewöhnlich mit der Ableugnung derselben hilft. Die blendende Erscheinung des ältern Bruders, die ihres Schönheitszaubers halber überall vorgezogen wurde, hat den jüngern von Jugend auf gegen die Natur, die ihm so parteiisch erscheint, mit einem Hass getränkt, dessen Glut so verzehrend ist, dass ihm auch alle Bande, die sie knüpft, nicht minder zuwider werden, und er nach und nach in den vollkommensten

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/58&oldid=- (Version vom 1.8.2018)