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Sache. Jeder hat gleiches Recht zum Grössten und Kleinsten; Anspruch wird an Anspruch, Trieb an Trieb und Kraft an Kraft zernichtet. Das Recht wohnt beim Ueberwältiger, und die Schranken unserer Kraft sind unsere Gesetze.

Die Grundlage seiner Bildung, die materialistische Philosophie des achtzehnten Jahrhunderts zeigt sich besonders in allen seinen Raisonnements über das Gewissen:

Ehrlicher Name! – wahrhaftig, eine reichhaltige Münze, mit der sich meisterlich schachern lässt, wer’s versteht sie gut auszugeben. Gewissen, – o ja, freilich! ein tüchtiger Lumpenmann, Sperlinge von Kirschbäumen wegzuschrecken!. . . .
In der That sehr lobenswürdige Anstalten, die Narren im Respect und den Pöbel unter dem Pantoffel zu halten, damit die Gescheidten es desto bequemer haben. . . .
Also frisch drüber hinweg! Wer nichts fürchtet, ist nicht weniger mächtig als der, den alles fürchtet.

Ebenso erscheint sie wie er sich über die Bande des Bluts lustig macht:

Es ist dein Vater! er hat dir das Leben gegeben, du bist sein Fleisch, sein Blut – also sei er dir heilig! Wiederum eine schlaue Consequenz! . . . . Soll ich ihm etwa darum gute Worte geben, dass er mich liebt? Das ist eine Eitelkeit von ihm, die Schossünde aller Künstler, die sich in ihrem Werk kokettiren, wär’ es auch noch so hässlich. – Sehet also, das ist die ganze Hexerei, die ihr in einen heiligen Nebel verschleiert, unsere Furchtsamkeit zu misbrauchen. Soll auch ich mich dadurch gängeln lassen, wie einen Knaben? –

oder sich gar den Vatermord plausibel macht:

Soll sich mein hochfliegender Geist an den Schneckengang der Materie ketten lassen? Ein Licht ausgeblasen, das ohnehin nur mit den letzten Oeltropfen noch wuchert – mehr ist’s nicht.

Findet man sich so mit dem Gedanken des Mordes am eigenen Vater ab, so ist natürlich der vom Bruder eine wahre Kleinigkeit:

Glückliche Reise, Herr Bruder! Der milzsüchtige, podagrische Moralist von einem Gewissen mag alte Wucherer auf dem Todesbette foltern – bei mir wird er nimmermehr Audienz bekommen.

Zur Vollendung des Porträts gehört noch die Sinnlichkeit, da diese und Grausamkeit ja immer zusammenwohnen.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/60&oldid=- (Version vom 1.8.2018)