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aufrichtiger, weil sie der Achtung entspringt, als Verrina, bei dem sie in Hoffnung und Bewunderung ihren Grund hatte.

Damit sind wir nun freilich am Ziele unserer Bewunderung angekommen und müssen uns weiter gestehen, dass die Ausführung mit der genialen Conception nicht Stich hält. Vor allem widerwärtig ist das Verhältniss Fiesco’s zu den beiden Frauen, die ihn lieben, die Herzlosigkeit, mit der er beide mishandelt, die Brutalität gegen die Imperiali, die Kälte und Berechnung in seinem Benehmen selbst gegen Leonore. Ebenso steht seine politische Dialektik in einem sonderbaren Widerspruch durch ihr geschraubtes Wesen zu seinem folgerichtigen Thun. Wozu brauchte Fiesco sich vorzulügen, dass die Schande abnehme mit der wachsenden Sünde, dass es namenlos gross sei, eine Krone zu stehlen, wenn er sich doch ganz ruhig sagen kann, dass die Genueser keine Republikaner seien und er der Mann der Situation sei? Nicht minder stösst uns die da und dort herausbrechende Prahlerei des Helden zurück, die noch gar zu sehr nach studentischer Renommistik schmeckt, und mit der sonstigen grossen Feinheit, die er in der Regel zeigt, der Grazie, die er meistens seinem Ausdrucke verleiht, um so mehr contrastirt. Diese Ungleichheiten charakterisiren eben die Uebergangsperiode, in der sich der Dichter befand, es ist die Unsicherheit in der Technik, die uns aus all dem noch entgegentritt, eine Unsicherheit, die in „Kabale und Liebe“ sogar noch einmal womöglich noch stärker wird, um bald darauf im „Don Carlos“ schwer errungener Meisterschaft zu weichen.

Dies Schwanken in der Behandlung tritt besonders im fünften Act heraus, der gegen die vorhergehenden entschieden schwächer wird, nur sehr gemischte Empfindungen erregt, vielleicht am wenigsten befriedigende, da hier den Dichter sein Instinct für das Wahrscheinliche verliess, den er sonst bei allem Reichthum seiner Erfindung so glänzend bewährt; ein beinahe ermüdendes Pathos verdrängt hier die herrliche Sprache, deren Prägnanz und machtvolle Fülle uns auch in diesem Stück sonst so oft fortreisst.



Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/69&oldid=- (Version vom 1.8.2018)