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Verhältniss beurtheilt, in welchem ihr Gatte zur Imperiali steht, erfahren wir sofort durch die Unterhaltung Calcagno’s und Sacco’s:

Calcagno. Man sagt, sie sei ein Beispiel der strengsten Tugend.
Sacco. Man lügt. Sie ist das ganze Buch über den abgeschmackten Text. Eins von beiden, Calcagno, gib dein Gewerb oder dein Herz auf.
Calcagno. Der Graf ist ihr ungetreu. Eifersucht ist die abgefeimteste Kupplerin. Ein Anschlag auf die Doria muss den Grafen in Athem halten und mir im Palaste zu schaffen geben. Während er nun den Wolf aus der Hürde scheucht, soll der Marder in seinen Hühnerstall fallen.

Indem wir die Plane des Wüstlings auf sie erfahren, sehen wir auch gleichzeitig, aus welchem liederlichen Material der störrische Verrina den Bau einer altrömischen Republik zusammenschweissen zu können meint.

Der Künstler hat Leonore gleich in der ersten Scene aufgefasst, da diese uns den ganzen Charakter der Frau am besten zeigt, die schwärmerische Begeisterung für den Gatten und den elegischen Zug, der durch ihr ganzes Wesen geht, malt, wenn sie, die Maske abreissend, sich verzweifelnd in den Sessel wirft, und doch fast nichts zu finden weiss, als Worte der Bewunderung für ihn.

Wenn sie aber keine Waffen hat gegen den Mann, den sie liebt, als Thränen, so ist sie doch zu sehr Frau, hat zu viel Geist, als dass sie deren nicht die niederschmetterndsten fände gegen die verhasste Nebenbuhlerin, – sie hat diese kaum zwei Minuten gehört, so wird es ihr sofort auch klar, dass Fiesco diese Frau nicht lieben könne:

Wünsche mir Glück, Mädchen! Unmöglich hab’ ich meinen Fiesco verloren, oder ich habe nichts an ihm verloren.

Sie replicirt mit einer Schärfe, die den Frauen a tempo viel besser zu Gebote steht, als den meisten Männern:

Julia. Der arme Ehemann! Dort lacht ihm ein blühendes Ideal – hier ekelt ihn eine grämliche Empfindsamkeit an. Signora, um Gottes willen! wird er nicht den Verstand verlieren, oder was wird er wählen?
Leonore. Sie, Madame – wenn er ihn verloren hat.

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/75&oldid=- (Version vom 1.8.2018)