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Aber wenn sie ihn offen behielt für die Nebenbuhlerin, so verliert sie ihn bei allem, was den Geliebten angeht, so bringt sie schon der blosse Anblick seines Medaillons in den Händen derselben vollständig um die Fassung, wenn es auch ihre Liebe nicht vermindert.

Gemeine Naturen verbittert und verschlechtert der Schmerz, höhere veredelt er. Unsere Leonore gehört zu den letztern, daher findet Calcagno gerade in dem Augenblick, der ihm am günstigsten scheint, dass er sich verrechnet hat, wenn er auf ihre Enttäuschung zählte:

Ich verstehe, und meine Empfindlichkeit sollte dir meine Empfindung bestechen? Das wusstest du nicht, dass schon allein das erhabene Unglück, um den Fiesco zu brechen, ein Weiberherz adelt. Geh! Fiesco’s Schande macht keinen Calcagno bei mir steigern, aber – die Menschheit sinken!

Die grenzenlose abgöttische Liebe, von der Leonore erfüllt ist, tritt überall hervor, am meisten aber in diesem unaufhörlichen Auf- und Abwogen des Gefühls, in diesem „Freudvoll und leidvoll, gedankenvoll sein“, das die sieben Monate verheirathete Frau erröthen macht, wie ein schüchternes Mädchen, wenn ihr die Kammerfrau des Gatten Grüsse bringt; im nächsten Augenblick aber wird der Zweifel schon wieder übermächtig, sie will sich ganz von ihm trennen, sie will ihn mit Vorwürfen überhäufen und bringt es doch nicht weiter, als zu einer sanften Klage:

Ihre Gemahlin zu sein, hab’ ich nicht verdient, aber Ihre Gemahlin hätte Achtung verdient. – Wie sie jetzt zischen, die Lästerzungen! Wie sie auf mich herabschielen, Genuas Damen und Mädchen! „Seht, wie sie wegblüht, die Eitle, die den Fiesco heirathete!“

Spricht sie so es rührend aus, dass sie es niemals zum Hasse bringen kann, so legitimirt sie sich aber dadurch als Deutsche; hätte Schiller die Italienerinnen gekannt, so würde er sie schwerlich so gemalt, sie so leicht sich wieder haben trösten lassen, sowenig als einer Italienerin eingefallen wäre zu sagen:

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/76&oldid=- (Version vom 1.8.2018)