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JULIA IMPERIALI.
(Die Verschwörung des Fiesco.)


Wenn es Schiller gelungen ist, der Gräfin Lavagna allen Schmelz und Reiz einer feingestimmten Seele zu verleihen, so muss man gestehen, dass er die Gräfin Imperiali um so übler behandelt hat. Nicht nur, dass er sie uns in einem Grade grob und impertinent gibt, der selbst bei Damen, die eine sehr viel niedrigere Stufe auf der Leiter der Gesellschaft einnehmen, nicht gewöhnlich ist, – er verleiht ihr ausserdem noch eine nicht unbeträchtliche Dosis von mit ziemlicher Stupidität vermischter Gefallsucht, endlich zu guter letzt auch ein wahres Uebermass von hochmüthigem Dünkel.

Dass die Schwester des Gianettino Doria, dieses Urbilds eines brutalen Wüstlings, nicht eben ein Ausbund von Liebenswürdigkeit sein werde, war wol ziemlich wahrscheinlich, aber ihre Roheit will uns doch mehr nach stuttgarter als genueser Studien schmecken. Ihre Sprache nimmt sich neben der bewunderungswürdig geschilderten Feinheit des Fiesco aus, wie die eines polternden Corpsburschen, der Skandal in allen Gassen anfängt, neben der Delicatesse eines Diplomaten der alten Schule. Oder ist es etwas anderes, wenn sie zu Fiesco, dessen Gast sie ist, in dessen eigenem Hause sagt:

Eifersucht? Eifersucht? Was will denn das Köpfchen? (Vor einem Spiegel gesticulirend.) Ob sie wol eine bessere Fürsprache für ihren Geschmack zu erwarten hat, als wenn ich ihn für den meinigen erkläre? (Stolz.) Doria und Fiesco? – ob sich die Gräfin von Lavagna nicht geehrt fühlen muss, wenn die Nichte des Herzogs ihre Wahl beneidenswürdig findet?

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/90&oldid=- (Version vom 1.8.2018)