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reden hören und zweifelte, als ein muntrer Knabe, an einem solchen Wunder. Sie sprachen von der Begebenheit. Ich wünschte doch auch, sagte er, die Stimme Ihres unsichtbaren Begleiters zu hören: rufen Sie ihn doch auf, wir sind ja zu Zweyen, und werden uns nicht fürchten. Leichtsinn oder Kühnheit, ich weiß nicht, was sie vermochte, genug sie ruft dem Geiste, und in dem Augenblicke entsteht mitten im Wagen der schmetternde Ton, läßt sich dreymal schnell hinter einander gewaltsam hören und verschwindet mit einem bänglichen Nachklang. Vor dem Hause ihrer Freundin fand man beyde ohnmächtig im Wagen, nur mit Mühe brachte man sie wieder zu sich, und vernahm was ihnen begegnet sey.

Die Schöne brauchte einige Zeit sich zu erhohlen. Dieser immer erneuerte Schrecken griff ihre Gesundheit an und das klingende Gespenst schien ihr einige Frist zu verstatten, ja sie hofte sogar, weil es sich lange nicht wieder hören ließ, endlich völlig davon befreyt zu seyn. Allein diese Hoffnung war zu frühzeitig.

Nach geendigtem Carneval unternahm sie mit einer Freundin und einem Kammermädchen eine kleine Lustreise. Sie wollte einen Besuch auf dem Lande machen; es war Nacht ehe sie ihren Weg vollenden konnten, und da noch am Fuhrwerke etwas zerbrach, mußten sie in einem schlechten Wirthshaus übernachten und sich so gut als möglich einrichten.

Schon hatte die Freundin sich niedergelegt und da« Kammermädchen, nachdem sie das Nachtlicht angezündet hatte, wollte eben zu ihrer Gebieterin ins andre Bette steigen,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 2-11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_1-1795.pdf/127&oldid=- (Version vom 1.8.2018)