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Woraus man denn deutlich sieht, fiel Luise ein, daß das schöne Kind sein eignes Gespenst war und aus irgend einer Ursache sich diesen Spaß gemacht und seine Herrschaft zum Besten gehabt hatte.

Keinesweges, versetzte Fritz: denn diejenigen, welche diese Wirkung einem Geiste zuschrieben, glaubten, ein Schutzgeist wolle zwar das Mädchen aus dem Hause haben, aber ihr doch kein Leids zufügen lassen. Andere nahmen es näher und hielten dafür, daß einer ihrer Liebhaber die Wissenschaft oder das Geschick gehabt habe, diese Töne zu erregen, um das Mädchen aus dem Hause in seine Arme zu nöthigen. Dem sey wie ihm wolle, das gute Kind zehrte sich über diesen Vorfall beynah völlig ab, und schien einem traurigen Geiste gleich, da sie vorher frisch, munter und die Heiterste im ganzen Hause gewesen. Aber auch eine solche körperliche Abnahme läßt sich auf mehr als eine Weise deuten.

Es ist Schade, versetzte Karl, daß man solche Vorfälle nicht genau untersucht, und daß man bey Beurtheilung der Begebenheiten, die uns so sehr interessiren, immer zwischen verschiedenen Wahrscheinlichkeiten schwanken muß, weil die Umstände, unter welchen solche Wunder geschehen, nicht alle bemerkt sind.

Wenn es nur nicht überhaupt so schwer wäre zu untersuchen, sagte der Alte, und in dem Augenblicke, wo etwas dergleichen begegnet, die Punkte und Momente alle gegenwärtig zu haben, worauf es eigentlich ankommt, damit man nichts entwischen lasse, worin Betrug und Irrthum sich verstecken könne. Vermag man denn einem Taschenspieler

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten. In: Die Horen 1795, Band 1–4. Cotta, Tübingen 1795, Seite 2-18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller_Die_Horen_1-1795.pdf/134&oldid=- (Version vom 1.8.2018)